Ranga Yogeshwar ist Diplom-Physiker – doch spätestens mit dem Start seiner TV-Sendung „Quarks & Co“ im Jahr 1993 wurde er einem Millionenpublikum als Wissenschaftsjournalist bekannt. Im Interview spricht Yogeshwar über Fake News im Internet, seinen Weg, das Leben zu gestalten und warum er dabei keine Vergleiche mag.

Ranga Yogeshwar: Jaja, die Zeit vergeht!

Damals waren Sie erst zarte 59 Jahre alt. War das nicht ein bisschen früh für die Rente?

Yogeshwar: Ich bin auch nicht in Rente gegangen, sondern weiterhin Freiberufler. Ich bin noch sehr aktiv, halte beispielsweise viele Vorträge, aber die Aktivitäten haben sich verschoben.

Yogeshwar: Nein. Ich habe das sehr lange und mit großer Freude gemacht, kann aber gut und angstbefreit loslassen. Denn wer loslässt, hat seine Hand frei. Als ich die großartige und deutlich jüngere Wissenschaftsjournalistin Mai Thi Nguyen-Kim traf, war ich so begeistert von ihr, dass ich sagte: „Toll! Ich räume den Platz.“

Ein würdevoller Ausstieg aus dem Rampenlicht gelingt tatsächlich nur einer Minderheit.

Yogeshwar: Genau. Es sind so viele Ältere, meistens Herren, die nicht loslassen können und sich damit keinen Gefallen tun. Bei allem, was ich tat, wollte ich immer raus sein, bevor ich das Gefühl hatte, ich sei stecken geblieben.

Wie schauen Sie heute auf eine Welt, in der Wissenschaft als Fake News abgetan wird?

Yogeshwar: Was wir erleben, ist ein mediales Rauschen: Wer will, erzählt etwas und findet mittels Internet schnell eine Bühne. Wir erleben gerade, dass aus kommerziellem Interesse etwa der sozialen Medien eine enorme Fake-News-Produktion in Kauf genommen wird: Große Aufmerksamkeit verspricht großen Gewinn.

Wie lässt sich dieses „mediale Rauschen“ leiser stellen?

Yogeshwar: Das ist ein Prozess, der seine Zeit braucht. Ein Beispiel: Nach Erfindung des Autos hat es fast drei Jahrzehnte gedauert, bis die erste Ampel installiert wurde, und noch länger bis zum Zebrastreifen. Irgendwann setzen wir diese Technologien reflektierter und zivilisierter ein.

Ihr Zwillingsbruder ist promovierter Physiker. Wie ist das, wenn der eine sich für eine wissenschaftliche Karriere entscheidet und der andere zum Fernsehen geht?

Yogeshwar: „Zwilling“ klingt immer nach sehr viel Klebstoff, aber wir sind wie „normale“ Geschwister, wo jeder seinen Weg geht, ohne den anderen als Referenz zu nehmen. Ich freue mich immer, wenn meine Geschwister Spaß an dem haben, was sie tun.

Hatten Sie Ratgeber in Ihrem Leben?

Yogeshwar: Ich habe viele Ratschläge bekommen. Meine Grundhaltung war aber sehr früh, meinen Weg selbst zu gestalten, ohne der Illusion zu erliegen, man könnte sein Leben komplett steuern. Das Leben lebt einen. Jeder Tag ist voller Geschenke, man muss sie nur sehen. Das ist mein Motto.

Welcher war der spannendste Ort, den Sie für Ihre Arbeit besucht haben?

Yogeshwar: Solche Rankings mache ich nicht. Meine Haltung ist nicht: „Was ist der bessere Ort?“, sondern: „Wie offen sind deine Augen?“ Durch unseren Heimatort gehen wir wie blind, woanders staunen wir. Aber umgekehrt ist es bei Touristen in unserem Ort.

Sie strahlen so viel Gelassenheit aus – kann Sie trotzdem im Alltag mal etwas auf die Palme bringen?

Yogeshwar: Das mag vorkommen. Aber ich finde, man sollte sich etwas klarmachen: Wer meint, er könne an seinem Ärger nichts ändern, sollte das gründlich überdenken. Man kann jeden Morgen aus guten Gründen im Bett liegen bleiben – aber aus genauso vielen guten Gründen aufstehen.

Man sollte Sie als Antidepressivum verordnen …

Yogeshwar: Gott, nein! Man sollte mich für gar nichts verordnen. Die einzige Kunst für uns alle ist, zu begreifen, dass wir eines Tages alles loslassen werden.

Sie haben sich sehr früh mit den Themen Älterwerden und Loslassen beschäftigt. Warum?

Yogeshwar: Ich hatte schon mit 25 Jahren verstanden, dass dieses Aufschieben, dieses ständige „Ich muss noch das und das machen, bevor ich lebe“, zu Unzufriedenheit führen muss. Jeder Moment hat seine Magie, wenn man nur genau hinschaut. Es gibt Orte auf diesem Planeten, die ich niemals sehen werde, obwohl sie betörend schön sind. Das muss ich akzeptieren. Ich bin weit über 30 Jahre verheiratet, andere suchen ein Leben lang. Das kann man im Älterwerden lernen: Vergleiche nicht! Jeder Vergleich ist toxisch.

Toxisch sollen auch viele Ernährungsstile sein, liest man immer wieder. Wie halten Sie es – ernähren Sie sich bewusst oder essen Sie, wie es kommt?

Yogeshwar: Ich mache mich da nicht verrückt. Das ist eine Haltungs- und Bewusstseinsfrage. Ich habe kein Problem mit dem Gewicht, aber ich liebe auch Pommes – natürlich nicht täglich. Von mir werden Sie kein „Mach es so wie Yogeshwar“-Patentrezept hören. Wenn wir wirklich in uns reinhorchen und uns vertrauen, spüren wir gut, was geht und was nicht. Vertrauen in das eigene Körpergefühl ist wichtiger, als mit irgendwelchen Aktivitätsuhren herumzulaufen.

Und Sport?

Yogeshwar: Ich sehe, wie viele Kollegen und Freunde tagtäglich ihre physische Fitness überstrapazieren, wodurch sie Knie-, Rücken- und alle möglichen Probleme haben. Ich mache das alles nicht und bin zum Glück bisher auch von derartigen Problemen verschont geblieben. Ein Bekannter meint zum Beispiel, er müsse unbedingt mit 60 Jahren noch Marathon laufen. Wenn er damit glücklich ist – fein. Ich sage auch hier: Es gibt für alles eine Zeit. In meinem Alter seine Knochen und Gelenke so zu beanspruchen, ist vielleicht nicht unbedingt gesund. Das Wichtigste ist die Haltung zum Leben und damit einhergehend eine gesunde Psyche. Damit lässt sich viel Kranksein vermeiden.

Sie meditieren: Machen Sie das schon lange?

Yogeshwar: Es kommt drauf an, wie Sie Meditation definieren. Auch da geht es mehr um die innere Haltung. Sie werden bei mir keine Yogamatte finden, auf der ich frühmorgens in Lotuspose sitze. Ich betreibe es deutlich einfacher: Nimm dir mal drei Minuten, horche in dich hinein, lass deine Gedanken los! Das kann man überall machen: in einer Arbeitspause im Job, im Bus, in der Kassenschlange im Supermarkt. Und nicht wie der gestresste Manager, der sich sogar seine Meditationstermine in den Kalender eintragen muss.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Text – und Bildquelle: Senioren Ratgeber, Fotocredit: Wort & Bild Verlag, Fotograf: ddp/Sulupress/Marc Vorwerk

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