In der Sat.1-„Wochenshow“ und ihrer Reihe „Ladykracher“ brachte sie Millionen Menschen zum Lachen: Anke Engelke, 59, engagiert sich seit über 20 Jahren dafür, dass Menschen auf der ganzen Welt Zugang zu Medikamenten haben. Im Interview erklärt sie, warum ihr das so wichtig ist, warum bei ihr das Glas immer halbvoll ist und sie das Älterwerden total okay findet.
Anke Engelke: Zum fünften Mal. Meine erste Reise mit action medeor führte mich vor 22 Jahren nach Benin, es folgten Togo, Malawi und Sierra Leone – und immer wieder Tansania!
Sie reisen mit dem Medikamentenhilfswerk action medeor , der sogenannten Notapotheke der Welt. Wie kam es zu der Zusammenarbeit?
Engelke: Ich habe vor über 20 Jahren durch eine Bekannte davon erfahren und mir das angeschaut. Für mich war klar, dass ich exklusiv für eine Sache einstehen will. Beim ersten Treffen habe ich den Vorstand Christoph Bonsmann, einen Pharmazeuten, mit Fragen über die T-Helferzellen gelöchert. Das ist bis heute ein Running Gag zwischen uns. Christoph und ich haben alle Reisen gemeinsam gemacht und kennen uns inzwischen sehr gut.
Was ist Ihnen wichtig an diesem Engagement?
Engelke: Dass ich Menschen aufmerksam mache auf ein zentrales Anliegen von action medeor: dass alle Menschen auf der Welt Zugang zu Medikamenten haben.
Mittlerweile machen Sie das seit über 20 Jahren. Das ist wirklich sehr treu.
Engelke: Ich hatte bei den Leuten von action medeor gleich das Gefühl, die stellen sich nicht als was Tolles dar, sondern die machen einfach einen richtig wichtigen Job.
Wie zum Beispiel kürzlich, in Tansania …
Engelke: Ich habe wieder Krankenhäuser und Labore besucht und viel erklären lassen. Jede meiner Reisen hat einen anderen Schwerpunkt. In der Vergangenheit ging es immer wieder um Malaria-Prophylaxe. Da sind wir mit Moskito-Netzen im Gepäck über die Dörfer gefahren, haben Partner vor Ort zu Aufklärungs-Veranstaltungen begleitet und unter anderem die Netze verteilt. Bei meiner Benin-Reise 2003 dagegen ging es um Aufklärung zum Thema HIV/Aids und auf unserer Sierra-Leone-Reise vor drei Jahren haben wir schwangere Frauen ermutigt, im sicheren Umfeld eines Krankenhauses zu gebären.
Wie hat sich das Land in den letzten Jahren verändert?
Engelke: Bei meinen letzten Besuchen in Tansania haben wir Krankenhäuser besucht, in denen pro Zimmer zehn bis 20 Frauen untergebracht waren. Auf Betten, ohne Matratzen. Es tut sich aber was. Diesmal haben wir bessere Zustände erlebt: Matratzen, Strom und fließendes Wasser sind oft Standard. Und es gibt weniger Hausgeburten.
Ist Ihnen diesmal etwas Besonderes in Erinnerung geblieben?
Engelke: Das sind so viele Eindrücke. Ich schreibe in Afrika immer jeden Tag Tagebuch, weil ich das sonst alles gar nicht mehr sortiert bekomme. Aber Christian werde ich nicht vergessen, einen fünfjährigen Jungen, den wir im Huruma Mission Hospital kennengelernt haben. Beim Spielen mit ein paar Ziegen ist er gestürzt und hat sich den Arm gebrochen. Seine Mutter hatte kein Geld für die lange Fahrt zum Krankenhaus, erst nach drei Tagen gab es eine Möglichkeit, Christian zu transportieren und zu operieren. Wie tapfer er da lag, das Bild geht nicht weg. Oder Eugenia, eine 29-jährige Mutter, die ihr Neugeborenes nicht stillen konnte, weil sie selber nichts zu essen hatte. Wenn dann geholfen wird, ist die Welt kurz in Ordnung. Oder wenn nach einer Geburt am Bett der Mutter mal ein Mann sitzt, nämlich der Kindsvater: das setzt sich erst ganz langsam durch in Tansania, dass nicht die Schwiegermütter die Wöchnerinnen unterstützen, sondern die Ehemänner oder Partner.
Engelke: Wir haben vor Ort erlebt, dass die USA Gelder für Entwicklungsprojekte und damit Stellen streichen. Einmal saßen wir im Büro eines Krankenhausdirektors, er bekam mitten im Gespräch einen Anruf und auf einmal hieß es: die Angestellten X und Y können nicht mehr bezahlt werden und sind vorübergehend entlassen. Doch auch wenn es widersprüchlich klingt: Ich bin mit Zuversicht nach Hause zurückgekommen.
Echt?
Engelke: Ja, es macht Hoffnung, sich mit Menschen zu unterhalten, die wirklich etwas bewirken, die sich nicht entmutigen lassen. Und die für das brennen, was sie tun.
Hat man als öffentliche Person eigentlich die Pflicht, sich sozial zu engagieren?
Engelke: Das entscheidet ja jeder prominente Mensch selber, aber es ist ein schmaler Grat: tut man Gutes und schweigt drüber, oder hängt man es an die große Glocke? Das merke ich auch vor Ort. Wie sehr gefällt man sich in der Rolle des großen Helfers? Wenn man finanziell besser aufgestellt ist und aus einem stabilen Land kommt, sagt man schnell: „Ich mach das hier schon. Diese eine Operation bezahle ich. Christians Arm-OP kostet umgerechnet 15 Euro.“ Aber es geht – wie so oft bei Schieflagen auf der Welt – um strukturelle Änderungen.
Das ist der langjährige Wunsch der Entwicklungshilfe. Richtig funktionieren tut es nicht …
Engelke: … ich bin trotzdem begeistert von den Menschen, die immer weitermachen. Wenn ich von meinen Reisen wiederkomme, erzähle ich privat ganz viel davon. Ich glaube, es ist so wichtig – gerade heute – Menschen mit positiven Erlebnissen, mit Hoffnung anzustecken. Viel zu oft findet das Negative mehr Gehör. Dabei passiert so viel Tolles.
Engelke: Ja klar! Und dafür muss ich gar nicht irgendwo hinreisen. Man kann sich ja ab und zu Mal fragen: Was ist eigentlich auf der Haben-Seite?
Was findet sich da bei Ihnen?
Engelke: Zum Beispiel bin ich heute morgen aufgestanden, die Welt drehte sich noch, ich bin gesund, meiner Familie geht‘s gut und ich habe einen tollen Job.
Dabei wollten Sie mal Lehrerin werden. Malen Sie sich manchmal aus, wie das gewesen wäre?
Engelke: Durchaus, aber wer weiß, wie ich mich dann heute fühlen würde? Schade, dass man nur ein Leben hat und nicht parallel drei Leben führen kann. Das fände ich hochinteressant.
Sie werden dieses Jahr 60. Wird man anders im Alter?
Engelke: Überhaupt nicht. Ich bin genauso bescheuert wie immer.
Gar nicht weise?
Engelke: Nö, man wird einfach nur älter, gewinnt vielleicht an Erfahrungen und macht bestimmte Dinge nicht mehr, weil man mit den Schultern zuckt und denkt: „Ist doch total pillepalle.“ Mit Weisheit hat das nichts zu tun.
Kein Problem mit dem Älterwerden, also.
Engelke: Ich würde es gut finden, wenn wir uns als Gesellschaft endlich darauf einigen könnten, dass Altern an sich okay ist.
Gibt es eigentlich einen Unterschied zwischen der privaten Anke und der Bühnen-Anke?
Engelke: Eine Bühnen-Anke gibt es ja nicht, weil ich kein Solo-Programm habe oder eine TV-Show, aber ich weiß, was Sie meinen: öffentlicher Menschen versus privater Mensch. Antwort: klar, das sind zwei unterschiedliche Ankes! Zuhause gibt es weder Kamera noch Mikrofon, da bin ich unspektakulär normal. Im Job bin ich angeknipst, da bin ich beruflich jemand anderes, das macht irre Spaß und ich bin dankbar dafür.
Richtig, dass die private Anke immer noch kein Smartphone und Social Media hat?
Engelke: Richtig. Das interessiert mich einfach nicht und ich finde vieles daran zeitraubend und unnötig. Aber klar ist das manchmal auch unpraktisch. Wenn ich sehe, wie andere sich mal eben schnell ein Carsharing-Auto buchen. Oder während der Pandemie, da stand ich immer doof da mit meinem Nokia und der ausgedruckten Testterminbestätigung.
Text – und Bildquelle: Apotheken Umschau, Fotocredit: Wort & Bild Verlagsgruppe – Gesundheitsmeldungen/Tobias Schult