Einige Zeit nach dem Ende von „DSDS“ war Küblböck noch sehr erfolgreich: Er ging als einziger Kandidat neben Sieger Alexander Klaws auf Tour, sein erstes Album verkaufte sich wie geschnitten Brot und er veröffentlichte auch eine Autobiografie, die es bis auf Platz drei der „Spiegel“-Bestsellerliste schaffte. Doch irgendwann verflog der ganz große Ruhm: 2004 machte er bundesweit Schlagzeilen, nachdem er einen Unfall mit einem Gurkenlaster verursacht hatte. Ein Film über Küblböck floppte gnadenlos in den Kinos, später richtete er seine Musikkarriere neu aus.
All das – und noch viel mehr – ist nun Teil der neuen ARD-Dokuserie „Die Küblböck-Story – Eure Lana Kaiser“. Und weil dieser Titel für eine Vielzahl an Menschen möglicherweise nicht selbsterklärend ist, hier kurz die Erläuterung: Kurz vor seinem tragischen Verschwinden von einem Kreuzfahrtschiff machte er öffentlich, dass er künftig als Frau leben wolle. Seither nannte er sich Lana Kaiser. 2021 wurde Küblböck für tot erklärt.
Die drei Folgen der von Beetz Brothers im Auftrag von BR und WDR produzierten Reihe schaffen nun einen eigentlich unmöglichen Spagat: Tristan Ferland Milewski als Regisseur und Autor sowie Co-Autorin Ilona Toller zeichnen ein Bild, das der Person Daniel Küblböck gerecht wird. Es geht um seine Zeit bei „DSDS“ und seine Kindheit, aber auch um die damalige Zeit generell – und wie es damals für queere Menschen in Deutschland oft noch war. Es geht um den schier unendlichen Optimismus von Küblböck, aber auch um den vielen Hass, dem er durch seinen frühen Ruhm ausgesetzt war. Und das alles noch zu einer Zeit, in der Social Media noch nicht richtig aufgekommen war.
Ein „queerer Meilenstein“
Am Ende steht eine Erkenntnis, die man so nur unterstreichen kann: Daniel Küblböck bzw. Lana Kaiser war eine Person, die nicht nur viele Facetten hatte – sie hat auch vielen Menschen Mut gemacht. Oft vermutlich, ohne das überhaupt zu wissen. Denn Küblböck hat zu einer Zeit queere Menschen sichtbar gemacht, als Schwulsein oft noch als Makel galt. Küblböck hat Rollenbilder verändert. Ricardo Simonetti bringt es in Folge drei auf den Punkt: Daniel Küblböck sei ein „queerer Meilenstein, der es verdient hat, nicht ausradiert zu werden“. Man könnte noch einen Schritt weiter gehen und sagen: Ein Meilenstein, der es verdient hat, in Ehren gehalten zu werden.
Neben Simonetti kommen auch viele andere Freunde und Weggefährten Küblböcks in der Doku zu Wort. Da sind einerseits sein Vater Günther, aber auch seine „DSDS“-Freundin Gracia Baur oder der damalige Juror Thomas Stein. Weitere Personen, die für die Dokuserie interviewt wurden, sind unter anderem Olivia Jones, zwei Ex-Freunde des Sängers, die Jugendbetreuerin von Küblböck vor seiner „DSDS“-Zeit, Journalisten wie Anja Rützel oder auch eine ehemalige Kommilitonin und eine Mitreisende der verhängnisvollen Kreuzfahrt.
Sie alle sorgen für einen umfassenden Blick auf die Person Küblböck/Kaiser. „Die Küblböck-Story – Eure Lana Kaiser“ ist eine einfühlsame Doku, die nichts ausspart und auch mithilfe von alten TV-Ausschnitten von den Höhen und Tiefen der Karriere des Sängers erzählt, ohne dabei voyeuristisch zu sein. Wilde Spekulationen um Küblböcks Tod lässt die Doku aus. Stattdessen werden Brücken ins Hier und Jetzt geschlagen: „Vehemente Gewalt“ sei damals auf den jungen Sänger zugerollt, sagt Thomas Stein an einer Stelle. Anja Rützel spricht von „organisiertem Hass“.
Und Ricardo Simonetti hält ernüchternd fest: „Menschen lieben es zu hassen. Es verbindet, ein gemeinsames Feinbild zu schaffen. […] Gerade Menschen die mit ihrem eigenen Leben unzufrieden sind und gerne einen Schuldigen suchen, gehen in solchen Momenten gerne auf marginalisierte Menschengruppen.“ Es ist ein Satz, der nachhallt. Denn er gilt im Jahr 2025 mehr denn je. Und trotzdem: Daniel Küblböck ist zu Beginn seiner Karriere immer wieder aufgestanden und hat denen, die voller Hass waren, die Stirn geboten.
Musik und Aussagen Küblböcks clever montiert
Die Geschichte von Daniel Küblböck wird in den drei Folgen ruhig und klar erzählt, clever eingebaut sind dabei auch Ausschnitt aus der Autobiografie des Sängers, die er vor mehr als 20 Jahren selbst eingesprochen hatte. Sie sind ganz entscheidend dafür, dass man die Person Küblböck versteht. Auch die Musikauswahl, oft Songs von Küblböck selbst, unterstreichen die jeweilige Stimmung in den Folgen sehr gut – sei es in guten wie in schlechten Momenten. Und dann gibt es auch Sprachnachrichten von Küblböck, die dieser am Ende einem Ex-Freund geschickt hatte. Zu diesem Zeitpunkt war der Sänger schon auf dem Kreuzfahrtschiff.
Durch die Tatsache, dass sich Daniel Küblböck am Ende als Frau definiert und Lana Kaiser genannt hat, kommt es übrigens auch in den drei Folgen zu der Situation, dass er von verschiedenen Gesprächspartnern unterschiedlich genannt wird. Die meisten sagen Daniel Küblböck und nutzen die männlichen Pronomen – eben, weil man ihn vor allem als Daniel Küblböck kennt. Einige andere Personen, die in der Doku zu Wort kommen, sprechen aber auch immer wieder bewusst von Lana Kaiser. Die Macherinnen und Macher machen das gleich zu Beginn der Doku mit einer Infotafel deutlich.
„Die Küblböck-Story – Eure Lana Kaiser“ steht in der ARD-Mediathek zum Abruf bereit.
Text – und Bildquelle: DWDL/ARD/RTL/Timo Niemeier, Fotocredit: Gebrüder Beetz Filmproduktion/Armin WeigelDaniel Küblböck