Die Folgen von Einsamkeit

Die Corona-Pandemie hat auch in Köln das Problem der Einsamkeit dramatisch verschärft. Das lange Erliegen des öffentlichen Lebens und die Kontaktsperren zerstörten soziale Strukturen und hielten die Menschen im Haus. Wer in einem Alters- oder Pflegeheim untergebracht war, hatte noch weniger zu lachen, denn diese Einrichtungen verwandelten sich während der Seuche in Gefängnisse ohne Besuchsrecht.

Der Mensch als Stammeswesen

Das Virus traf uns dort, wo wir verwundbar sind, denn der Mensch ist evolutionär auf Kommunikation und Kooperation gepolt. Bis zur Staatenbildung war er auf seinen Stamm angewiesen, der ihm auch im Erwachsenenalter das Überleben sicherte. Sein Einbringen in die Gemeinschaft hielt die Funktionsfähigkeit des Stammes aufrecht. Der Slogan: „Einer für alle, alle für einen!“ beschreibt ein zeitloses Prinzip, das in seiner Reinform nie existierte, aber das in seiner Tendenz das Erfolgsrezept der Spezies Mensch darstellt, dem es als einziges Lebewesen gelang, sich die Natur untertan zu machen und sie nach seinen Maßstäben zu gestalten.

Warum Einsamkeit krank macht

Als der US-amerikanische Psychologe René Spitz in den 1940er Jahren in einer Studie zeitgenössische Waisenhäuser untersuchte, stellte er fest, dass Kinder in einer lieblosen Umgebung ohne Zuwendung körperlich und seelisch verkümmerten und zum Teil sogar starben, und das, obwohl ihre materielle Versorgung gesichert war. Er zog daraus den Schluss, dass soziale Interaktion ebenso ein Grundbedürfnis des Menschen sei wie Schlafen, Essen, Trinken und Atmen. Dass Internetseiten zum Thema Dating-Beratung wie nicht-mehr-allein.de/ so florieren, das hat seine Ursache in diesem Grundbedürfnis nach Nähe und Zuwendung.

Geschwächtes Immunsystem

Das, was für Kinder gilt, gilt ebenso für Erwachsene. Das Fehlen sozialer Beziehungen macht krank, diese Aussage wurde in zahlreichen Studien nachgewiesen und ist heute allgemein anerkannt. Physiologisch wurden im Hormonspiegel einsamer Menschen wesentlich größere Anteile des Stresshormons Cortisol als üblich gefunden. Dadurch wird der Körper in einen Alarmzustand versetzt und es werden „periphere“ Aufgaben, zu denen die Aktivität des Immunsystems gehören, heruntergefahren. In der Folge steigt die Anfälligkeit für Krankheiten aller Art. Warum das so ist, das liegt nach Ansicht von Anthroposophen ebenfalls im evolutionären Erbe des Menschen begründet. War der Mensch in grauer Vorzeit isoliert, war er sicher dem Tod geweiht, wenn sich an dem Zustand auf längere Zeit nichts ändert. In der Folge musste erst dieses Problem gelöst werden, bevor andere Aufgaben wieder akut werden.

Einsamkeit kommt selten allein

Besonders deutlich sind nach weiteren Studien Depressionen, Angsterkrankungen, Schlafstörungen, Nervosität und Unruhe mit Einsamkeit assoziiert. Außerdem gehen mit chronischer Einsamkeit ein erhöhtes Risiko für Bluthochdruck, Schlaganfall, Herzinfarkt, Demenz und Krebs einher. Oft ist es nicht zu sagen, was zuerst da war, die Henne oder das Ei, denn Einsamkeit bringt meistens eine Kette ungesunder Verhaltensweisen an den Tag, die den Ausbruch von Krankheiten fördern und wiederum die Einsamkeit begünstigen. Wer einsam ist, bewegt sich weniger, isst mehr sowie ungesünder und entwickelt weniger Positiverlebnisse, die der Mensch für ein erfülltes Leben benötigt. Die erhöhte Krankheitsanfälligkeit einsamer Menschen zieht sich durch bis zum Tod. Eine Studie der Brigham Young Universität in Utah (USA) enthüllte, dass einsame Menschen ein um 50 % erhöhtes Sterberisiko aufweisen als Menschen mit intakten sozialen Strukturen.

 

Digitalisierung als Brandbeschleuniger

Insgesamt stellt Einsamkeit ein größeres Risiko für den vorzeitigen Tod dar als Übergewicht, Alkoholismus und Bewegungsarmut. Soziologen sprechen bereits von einer Pandemie, die weit vor Corona eingesetzt habe und die durch die Digitalisierung beschleunigt wurde. Selbst Personen, die sich den ganzen Tag in der digitalen Welt aufhalten, spüren instinktiv, dass Online-Kontakte echte Freundschaften nicht aufwiegen können. Hier sind es eher ungünstige Faktoren wie Sucht und Zwang, welche die Menschen für eine so lange Zeit im Internet gefangen halten.

Kampf gegen Altersarmut – eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe

Ältere Menschen sind besonders gefährdet zu vereinsamen, aber auch jüngere Menschen trifft es immer mehr. Als die englische Regierung 2018 als erste Regierung überhaupt ein Ministerium für Einsamkeit ins Leben rief, gingen die Behörden von 9 Millionen vereinsamten Menschen im Vereinigten Königreich aus. In diesem Jahr folgte Japan. Im Land der Hikikomori schließen sich bereits Jugendliche dauerhaft in ihrem Zimmer ein, vor alle, weil sie sich von den modernen Anforderungen überfordert fühlen. Experten sind sich einig, dass Einsamkeit ein Phänomen der modernen Lebenswelt von heute ist, deren Überwindung eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Quelle: News Factory, Archivbild/unsplash.com

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