Endlich Sommerferien! Was normalerweise bei Eltern und Kindern große Freude hervorruft, bedeutet im Jahr der weltweiten Corona-Pandemie für viele Familien erneut Stress und Belastung statt Erholung. Denn vielerorts ist gerade erst wieder die schmerzlich vermisste Normalität eingekehrt. Zudem haben viele Eltern all ihre Urlaubstage im Lockdown verbraucht und die meisten Urlaubsorte mit Strand und Meer sind sowieso nur mit Risiko zu erreichen… Für nicht wenige Familien bedeutet das: Urlaub daheim – und das sechs Wochen lang. Dr. Karen Silvester vom SOS-Kinderdorf e.V. gibt Tipps, wie die gemeinsame Zeit trotzdem gelingen und zur Kraftquelle für die ganze Familie werden kann.

Alle Urlaubstage sind verbraucht und eine größere Reise erscheint sowieso nicht ratsam. Urlaub abgesagt und schon wieder alle daheim – so sieht es wohl momentan in vielen Familien aus. Wie erkläre ich meinen Kindern, dass es dieses Jahr keinen Sommerurlaub geben wird?

Bei allen Kindern gilt: ehrlich und offen sein. Eine Situation zu verstehen, hilft Kindern damit umzugehen. Schon kleine Kinder wissen, dass momentan vieles anders ist. Beteiligen Sie Ihre Kinder an der Planung der kommenden Wochen. Fragen Sie sie, was sie sich von der freien Zeit erwarten, was sie sich wünschen. Machen Sie gemeinsame Pläne, die auch daheim Spaß, Erholung und Gemeinsamkeit als Familie bringen. Sie sollten ihren Kindern vermitteln, dass dieses Jahr zwar alles anders ist, aber dass die Zeit daheim auch besonders sein kann und sie als Familie das Beste daraus machen werden. Nehmen Sie sich dafür bewusst Freiräume für gemeinsame Familienzeit. Und wenn es nur die Wochenenden und ein bis zwei Stunden am Tag sind – aber seien Sie dann ganz für Ihre Kinder da und gestalten Sie eine besondere und schöne Zeit. Das erfordert viel Planung, aber das ist es wert. Denn kleine Auszeiten vom Alltag tun Kindern wie Eltern gut, gerade nach den belastenden letzten Monaten.

Eltern erhoffen sich vom Urlaub vor allem Erholung. Aber was ist das eigentlich – und gibt es Wege, sich auch daheim wirklich zu erholen?

Es gibt zwei Arten von Erholung, die körperliche und die mentale. Beide sind existentiell. Gerade die mentale oder auch seelische Erholung ist insbesondere bei Eltern in den letzten Monaten komplett auf der Strecke geblieben. Da sehe ich, auch gesamtgesellschaftlich betrachtet, ein großes Problem. Eltern sind oft nicht mehr so belastbar nach all dem Druck, den Sorgen und Ängsten der letzten Zeit. Und leider geht das oft auch auf Kosten der Kinder. Eigentlich wären Abschalten und Entspannen nötiger als je zuvor. Eltern sollten nun versuchen gezielt Erholung im Alltag zu finden. Es ist erholsam, zeitweilig aus dem Alltag auszubrechen, Gegengewichte zur Routine zu schaffen und so die innere Balance wieder zu finden. Wer viel sitzt, sollte Sport machen, sich auspowern, sich bewegen; wer körperlich arbeitet, sollte sich und seinem Körper Ruhe gönnen. All das geht auch daheim – wenn man denn bewusst mit seinen Bedürfnissen umgeht, sich gezielt Freiräume schafft.

Im Urlaub dem Alltag entfliehen – ein oft gehegter Wunsch. Aber ist diese Erwartungshaltung eigentlich sinnvoll?

Urlaub wird ja oft als die schönste Zeit des Jahres bezeichnet, weil man dann den Alltag sprichwörtlich „hinter sich“ lässt. In diesem Jahr kann diese Erwartung in vielen Fällen nicht erfüllt werden – und das hat auch sein Gutes. Man kann diese Zeit auch nutzen, inne zu halten und kritisch auf seinen Alltag zu schauen. Wenn der so belastend ist, dass man ihm unbedingt entfliehen will, scheint etwas in Schieflage zu sein – denn der Alltag ist es ja, was unser Leben ausmacht. Vielleicht ist das ein guter Anlass, etwas an unseren Routinen zu ändern, Unzufriedenheiten in Gesprächen zu beleuchten oder sich dazu sogar Hilfe zu holen, beispielsweise in Beratungsstellen oder Familienzentren.

„Mir ist langweilig“ – Eltern fürchten diesen Ausspruch. Aber ist Langeweile wirklich schädlich?

Es gibt einen schönen Spruch: „Langeweile ist die Stille in sich, in der man sich selber hört“. Da ist viel Wahres dran, denn Langeweile ist nicht per se negativ. Für Kinder und Jugendliche ist sie sogar sehr wichtig – sie ist eine Triebfeder der Entwicklung! Wenn sich Kinder langweilen, können sie kreativ werden, sich selbst ausprobieren und so auch herausfinden, was ihre Vorlieben sind; nur so erleben sie ihre Selbstwirksamkeit. Die freie Zeit in den kommenden Wochen können junge Menschen nutzen, um sich selber zu finden, zu sich zu finden. Natürlich brauchen sie auch Anreize und müssen in einer stimulierenden Umgebung aufwachsen, aber ständige Ablenkung oder „Bespaßung“ ist weder pädagogischer Auftrag noch sinnvoll. Das sollten sich Eltern gerade jetzt klarmachen.

Trotz aller Bemühungen und guter Ratschläge: Sechs Wochen als Familie aufeinander hocken ist kein „Zuckerschlecken“. Wie beuge ich schlechter Stimmung vor? Wie strukturiere ich die lange Zeit daheim sinnvoll und kindgerecht?

Wichtig ist jetzt: Sich gemeinsam kleine Auszeiten zu nehmen, Familienzeit bewusst einzuplanen und zu genießen, sich ein kleines Ziel zu setzen. Ein gemeinsames Familienprojekt kann man sich wunderbar daheim vornehmen: Warum nicht einen Garten anlegen, ein Hochbeet bepflanzen oder irgendwo in der Nähe ein Baumhaus bauen? Warum nicht die Wohnung gemeinsam verschönern, ein Wandmosaik kleben, einen Schrank bemalen? Warum nicht den eigentlich geplanten Ferienort nach Hause holen; spanisch kochen oder gemeinsam italienisch lernen… Auch „Tagesurlaube“ sind wertvoll: Fahrradtouren, ein Picknick machen, schwimmen gehen oder bei schlechtem Wetter der gemeinsame Kinoabend mit selbstgemachtem Popcorn. Solche und andere spannende Tagesaktivitäten bieten übrigens auch externe Veranstalter an, beispielsweise über den Ferienpass. Und der Kontakt zu Freunden und Familie ist ja nun auch wieder besser möglich, so dass man Kinder tageweise verabreden oder sich mit befreundeten Familien abwechseln kann.

Und wenn die Stimmung doch kippt? Was können Eltern für sich und ihre Kinder tun, um mental stabil zu bleiben?

Dass man selber, der/die Partner*in oder die Kinder mal gereizt oder übellaunig sind, ist unter diesen Bedingungen ganz normal, das sollte man nicht vergessen. Die Situation ist für alle herausfordernd, da sollte man auch ehrlich zu sich selber sein und nicht alles beschönigen. Wenn längerfristig schlechte Stimmung herrscht, helfen oft ehrliche Gespräche mit dem/der Partner*in – oder auch den Kindern selber, je nach Alter – wie man Abläufe verändern kann oder mal einen neuen Anreiz setzen kann. Warum nicht zumindest am Wochenende mal für ein, zwei Tage ausbrechen? Eine Wanderung machen, zum See fahren oder irgendwo zelten und Sterne zählen. Sowas muss nicht viel kosten, aber alle zehren von der gemeinsamen Familienzeit. Und wenn sich alle nur noch auf die Nerven gehen, wirkt auch zeitweilige Distanz Wunder. Dann kann man die Kinder mal bei der/dem besten Freund*in übernachten lassen oder ein paar Tage zu den Großeltern oder Paten schicken. Kinder und Eltern brauchen diesen Ausgleich gleichermaßen und eine solche Pause voneinander bringt auf lange Sicht wieder Harmonie ins Familiengebilde. Wenn man allerdings gar nicht mehr auf einen grünen Zweig kommt und die Anspannung steigt, sollte man sich externe Hilfe holen ­­­– Beratungsstellen, Familienzentren oder Nachbarschaftstreffs sind in solchen Situationen kompetente Ansprechpartner.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Quelle: SOS-Kinderdorf e.V., Archivbild

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