Über 17,3 Millionen Besucher in der wechselvollen Geschichte des „Langen Lulatsch“

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Das Brandenburger Tor, der Alexanderplatz sowie das Reichstagsgebäude sind nur einige der vielen Wahrzeichen unserer Hauptstadt. Eines von ihnen tauften die Berliner liebevoll „Langer Lulatsch“: der Berliner Funkturm. Seine wechselvolle Historie ist eng verbunden mit den Ereignissen in der bewegten Geschichte der Stadt, die er mit seinen stolzen 147 Metern Höhe als markanter Blickfang überragt. Seit seiner Einweihung im Jahr 1926 musste er auch leidvolle Stunden erleiden. Allerdings hat er selbst ein Großfeuer und die verheerenden Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges überstanden. Vielleicht ist er gerade deswegen so jung geblieben. Funktional als Antennenträger geplant, entwickelte sich der Berliner Funkturm wegen seines exklusiven Restaurants und der Aussichtsplattform in luftiger Höhe schnell zu einem der attraktiven Anziehungspunkte von Berlin.

 

Strahlender Sonnenschein bei der Einweihung

Wie in den Annalen nachzulesen ist, lag am 3. September 1926, als der „Lange Lulatsch“ seine Taufe erhielt, strahlender Sonnenschein über dem Messegelände. In der Geburtsanzeige dieses bedeutenden Bauwerks der Berliner Stadtgeschichte ist unter anderem zu lesen: „Der Funkturm, das neue Wahrzeichen Berlins, ist heute dem Verkehr übergeben worden. Es war eine feierliche Stunde, einfach in ihrem äußeren Rahmen, bedeutungsvoll aber in der Geschichte der Reichshauptstadt, in der Entwicklung des deutschen Rundfunks. Funkhaus und Funkturm prangten im Festgewand, mit Blumengirlanden unter den Fahnen Berlins und der Deutschen Republik geschmückt.“

 

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Prolog von Alfred Braun

Rundfunkpionier Alfred Braun sprach den Weiheprolog beginnend mit den Worten: „Achtung! Hier Funkturm Lietzensee! Zwischen Havel und Oberspree! Der Funkturm sendet im Programm die Funkturmweihe vom Kaiserdamm.“ Der damalige Oberbürgermeister Gustav Böß und Dr. Alfred Schick, Direktor des Berliner Messe-Amts, hielten im Rahmen der Eröffnung der 3. Großen Funkausstellung die Einweihungsreden. Dröhnende Böllerschüsse zeigten den Charlottenburgern an, dass die „neue Siegessäule des Westens“ offiziell und amtlich eröffnet worden war.

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Ein Mast wird zum Turm

Bereits zwei Jahre zuvor hatte der Rundfunksender Witzleben („Welle 504“), der in der „Funkhalle“ des Messegeländes untergebracht war, den Sendebetrieb aufgenommen. Seine 70 Meter lange Antenne hing zwischen zwei 160 Meter voneinander entfernten Masten: Einer war 80 Meter hoch und stand auf dem Gelände des heutigen ICC Berlin. Der andere Mast war 120 Meter hoch. Er wurde zum Kran für den Bau des Funkturms umfunktioniert und avancierte gleichzeitig zum Teil seines Skelettes.

 

Technisches Neuland beim Bau

Beim Ausbau des Stahlgittermastes zum Wahrzeichen „Funkturm“ nach Plänen von Professor Heinrich Straumer musste immer wieder technisches Neuland betreten werden. So installierte eine Berliner Firma eine Fahrstuhlanlage, die eine Kabine für zehn Personen mit 2,5 Metern pro Sekunde in die damals ungewöhnliche Höhe von 123 Metern beförderte (heute dauert diese Fahrt nur noch 33 Sekunden). Aber auch die Versorgung mit Gas, Wasser, Elektrizität und Wärme war problematisch.

 

Antennenträger und Attraktion – Leuchtturm und Werbeträger

Der am 3. September 1926 eingeweihte Funkturm – der damals höchste Turm Deutschlands – war aber nicht nur Antennenträger und einer der größten Anziehungspunkte für Besucher aus aller Welt. Zwei weitere Funktionen des Berliner Funkturms sind heute weitgehend vergessen: Er war auch Leuchtturm für alle Flugzeuge, die Berlin als Luftkreuz Europas anflogen. In seiner Spitze war ein 3.000-Watt-Scheinwerfer aufgestellt, der sich 25mal in der Minute um die Turmachse drehte und 60 Kilometer weit im Umkreis zu sehen war. Außerdem war unter dem Restaurant eine „Wanderschrift-Anlage“ mit 4000 Glühbirnen angebracht, die damals wohl die höchste Werbefläche dieser Größenordnung in Deutschland darstellte.

 

Der 500.000. Besucher wurde bereits 1928 begrüßt

Die Geschichte des Funkturms ist eng verknüpft mit den Messen, die zu seinen vier stählernen Füßen stattfanden. Man traf sich bereits 1927 zu den „Ausstellungen am Funkturm“ – ein damals kreierter Begriff, der sich bis auf den heutigen Tag gehalten hat. Neben dem weiten Rundblick auf das Häusermeer Großberlins von der 126 Meter hohen Aussichtsplattform bewunderten die ersten Besucher vor allem das „schwebende Restaurant“ in 55 Metern Höhe, das durch seine schräg nach unten geneigten Fenster seinen Gästen nicht nur kulinarische, sondern auch optische Genüsse bot. Bereits 1928 konnte der Funkturm den 500.000. Besucher begrüßen.

 

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Der Funkturm bekommt einen Garten

Im Frühjahr 1927 wurde auch ein Funkturmgarten eingerichtet, ein kleiner Vorläufer des heutigen Sommergartens, der aber erst 1932 als reich bepflanztes Oval in seiner heutigen Form geschaffen wurde.

 

Die ersten Fernsehbilder

 

Von der Öffentlichkeit kaum beachtet waren schon 1929 zwei Rundstrahler (Antennen) auf dem Scheinwerferhaus montiert worden, die für Versuchsübertragungen des Fernsehens dienten. Am 8. März 1929 von 23.10 Uhr bis 0.30 Uhr wurden die ersten Fernsehbilder über den Sender Witzleben abgestrahlt, noch ohne Ton allerdings. Anfang 1932 lief dann die erste Fernseh-Versuchssendung über UKW, aber erst am 25. Oktober 1951 begann der tägliche Versuchsbetrieb des Fernsehens aus dem Poststudio Tempelhof.

 

Albert Einstein am Funkturm

 

Am 22. August 1930 hielt kein geringerer als Albert Einstein die Ansprache zur Eröffnung der 7. Großen Deutschen Funkausstellung zu Füßen des Funkturms. Darin sagte er unter anderem: „Wenn Ihr den Rundfunk hört, so denkt daran, wie die Menschen in den Besitz dieses wunderbaren Werkzeugs der Mitteilung gekommen sind. Der Urquell aller technischen Errungenschaften ist die göttliche Neugier und der Spieltrieb des bastelnden und grübelnden Forschers und nicht minder die konstruktive Phantasie des technischen Erfinders.“

 

Das Messegelände entwickelt sich um den Funkturm herum

 

1930 schloss sich das markante Hallenviereck um Funkturm und Funkturmgarten. Das florierende Berliner Messewesen verzeichnete stetig wachsende Besucherzahlen, die im Rekordjahr 1937 mit über vier Millionen fast die Einwohnerzahl von Großberlin erreichten. Die internationale Automobil- und Motorradausstellung Berlin lockte beispielsweise 800.000 Interessenten in die mittlerweile acht Messehallen. Eine Ausstellung mit dem für die damalige Politik bezeichnenden Namen „Gebt mir vier Jahre Zeit“ brachte es sogar auf 1,36 Millionen Besucher.

 

Feuer am 19. August 1935 – Die erste Narbe

 

Schlagzeilen machte der Funkturm am 19. August 1935, als während der 12. Funkausstellung kurz nach 20.30 Uhr in der alten Funkhalle ein Feuer ausbrach. Die Flammen schlugen immer höher aus dem lodernden Dach heraus. Durch die große Hitze entstand an den Installationen des Funkturms ein Kurzschluss, der wiederum die Ostseite des Küchen- und Restaurationsgeschosses in Brand setzte. Gegen Mitternacht konnte das weithin sichtbare Feuer unter Kontrolle gebracht werden. Das Funkturm-Restaurant war zum größten Teil zerstört, aber alle angrenzenden Hallen bis auf geringfügige Schäden erhalten. Sollte dies das frühe Ende des „Langen Lulatschs“ sein?

 

Obwohl der Schaden dann aber doch mit einigen Reparaturen beseitigt werden konnte, bedeutete die Brandnacht ein wichtiges Datum in der Geschichte des Berliner Wahrzeichens. Der Sender Witzleben war ebenso verglüht wie die Leuchtschrift-Anlage am Funkturm-Restaurant. Nach einiger Zeit wurde die Antenne abmontiert. Der Funkturm funkte nicht mehr. Der neue Sendeturm in Tegel übernahm nun endgültig allein die Aufgaben des Senders Berlin-Witzleben.

 

Im Krieg fast zerstört – Die zweite Narbe

 

1939 bekam der Funkturm mit der „Gemeinnützigen Berliner Ausstellungs-, Messe- und Fremdenverkehrs GmbH“ einen neuen Dienstherrn. Der beginnende Zweite Weltkrieg beendete Berlins Messeherrlichkeit. Die Reichsstelle für Getreide beschlagnahmte die Ausstellungshallen zu Einlagerungszwecken. Noch kamen im zweiten und dritten Kriegsjahr Besucher zu Veranstaltungen wie „Sommerblumenschau am Funkturm“ zu Hunderttausenden, bis das Messegelände 1943 und 1944 weitgehend zerstört wurde. Und auch der Funkturm bekam im Kampf um Berlin seinen Teil ab. Ein Granatfeuer verwüstete nicht nur das Funkturm-Restaurant ein zweites Mal, sondern brachte das gesamte Bauwerk fast zum Einsturz. Nach einem Treffer an einer der Hauptstreben in 38 Meter Höhe stand der „Lange Lulatsch“ praktisch nur noch auf drei Stahlbeinen. Der Abriss drohte.

 

Wiederherstellung und verändertes Gesicht

 

Rund 7,2 Tonnen Stahl und 800 Kilogramm Schrauben waren nötig, um den angeschlagenen Riesen wieder zusammenzuflicken. Bald erstrahlte er jedoch im neuen Glanz und mit einigen baulichen Veränderungen. Für den Nordwestdeutschen Rundfunk (NWDR) wurde eine UKW-Antenne auf der Spitze installiert, die dem Turm eine stattliche Höhe von 150 Metern verlieh. Gelbe Warnlampen leuchteten nun den „Rosinenbombern“ während der Berlin-Blockade den Weg zum Flughafen Tempelhof. Damit erfüllte das Berliner Wahrzeichen für kurze Zeit noch mal seine ursprüngliche Funktion als Funkturm und Antennenträger.

 

Mehr Attraktion als Funk-Funktion

 

Am 1. Oktober 1951 war der Fernsehsender Berlins betriebsfertig, am 25. Oktober begann der tägliche Versuchsbetrieb aus dem Poststudio Tempelhof. Der Funkturm verfügte nun über eine mastähnliche Konstruktion, die mehrere voreinander getrennte Antennen für das Fernsehen, den UKW-Hörfunk des NWDR sowie für verschiedene öffentliche Dienste wie Feuerwehr, Polizei und Taxifunk erhielt. Damit war aber auch schon der Höhepunkt der zweiten Funkturm-Karriere erreicht. Die einzelnen Sender montierten nun ihre eigenen Sendemasten, die wie beispielsweise der Antennenträger des SFB am Scholzplatz auch beträchtlich höher als der Funkturm inmitten des Messegeländes waren.

 

Er strahlt noch immer – schön wie in den Zwanzigern

 

Heute ist der Funkturm als eines der bekanntesten Wahrzeichen Berlins ein beliebter Anziehungspunkt für die Berliner und Gäste aus aller Welt. Zehntausende Besucher genießen jährlich die kilometerweite Aussicht von der Plattform oder die Gastronomie des Funkturmrestaurants, das in Abstimmung mit dem Landeskonservator renoviert wurde und die Atmosphäre der 20er Jahre widerspiegelt. Von der Aussichtsplattform blickten schon rund 17,3 Millionen Menschen auf das Messegelände, nahegelegene Wälder und Seen sowie das Häusermeer der Metropole hinab. Die Besucher sausen in einem modernen, funkgesteuerten Fahrstuhl mit durchsichtigen Wänden und Panoramasicht zum Restaurant in 55 Metern Höhe oder zur Aussichtsplattform in luftigen 126 Metern hoch. Die Fahrt bis zur Plattform dauert lediglich 33 Sekunden.

 

Der Berliner Funkturm strahlt heute kein gebündeltes Licht mehr aus und er sendet auch keine Funkwellen mehr in die weite Welt. Als Wellenstrahler nützt er nur noch regional. Doch eines strahlt er aus wie eh und je: Atmosphäre! Das macht er tagsüber und auch nachts, wenn er – von starken LED-Leuchten in warmes Licht getaucht – ein weithin sichtbares Zeichen der Vertrautheit ist. Nahe dem städtischen Getöse ist er ein ruhender Pol, ein Symbol der Beständigkeit, das den Berlinern über Generationen hinweg ans Herz gewachsen ist.

 

Text- und Bildquelle: Messe Berlin GmbH

Bildrechte: Messe Berlin GmbH sowie Berliner Ausstellungen

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