Immer mehr Gemeinden versuchen der Wohnungsnot mit der Verhängung von Bußgeldern zu Leibe zu rücken. Jüngstes Beispiel: Die Stadt München hat vier Immobilieneigentümern insgesamt 230.000 Euro Bußgelder aufgebrummt, weil sie Wohnraum zweckentfremdet hatten. Damit ist gemeint, dass bisher als Wohnraum verwendete Flächen plötzlich als Ferienwohnung oder Büro genutzt werden. Oder die Eigentümer lassen Wohnraum einfach leer stehen – in vielen Fällen Erbengemeinschaften, wenn deren Mitglieder darüber streiten, wie sie den Immobilienbesitz aufteilen sollen oder einfach das deutsche Mietrecht scheuen.
Steht Wohnraum in München mehr als drei Monate leer, kann die Stadt Bußgelder gegen die Eigentümer verhängen. In anderen Gegenden Deutschlands können die Zeiträume je nach Gemeindesatzung divergieren. Ob allerdings mit mehr oder weniger symbolischen Bußgeldern nennenswerter zusätzlicher Wohnraum geschaffen werden kann oder hier nur der Tropfen auf dem heißen Stein verdunstet, ist umstritten. Laut der letzten Erhebung des Statischen Bundesamtes standen Mitte 2022 in Deutschland 4,3 Prozent oder 1,9 Millionen Wohnungen leer – über die Hälfte davon werden seit mindestens einem Jahr nicht mehr zu Wohnzwecken genutzt.
Jährlich werden 430.000 Immobilien vererbt
Unter den leer stehenden Wohnungen befinden sich auch zahlreiche Erbschaftsimmobilien, die meist Erbengemeinschaften gehören. Laut einer aktuellen Studie des Deutschen Instituts für Altersvorsorge (DIA) wurden im Zeitraum 2015 bis 2024 jährlich 430.000 Immobilien vererbt – davon 47 Prozent Einfamilienhäuser und 26 Prozent Zweifamilienhäuser, der Rest entfällt auf Eigentumswohnungen, Mehrfamilienhäuser und Grundstücke.
340.000 Immobilien gehen an Erbengemeinschaften
Nach einer Studie der Postbank erben nur 20 Prozent aller Erben allein – 80 Prozent gehen an Erbengemeinschaften mit mindestens zwei Erben. „Jedes Jahr werden damit rund 340.000 Immobilien an Erbengemeinschaften übergeben, von denen 60 Prozent zwischen zwei und 30 Jahren brauchen, bis sie sich aufgelöst haben“, erläutert Manfred Gabler, Geschäftsführer der Weilheimer Firma Erbteilung.
Über 40 Prozent Leerstand in Erbengemeinschaftsimmobilien
Normalerweise gehört die Vermietung von Nachlassgrundstücken zur ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses. Die erforderlichen Beschlüsse der Erbengemeinschaft hierzu können durch Stimmenmehrheit gefasst werden. In der Praxis kommt es aber in vielen Fällen erst gar nicht zu einem Beschluss, die Immobilie zu vermieten. Manfred Gabler weiß warum: „Aus einer aktuellen Mandanten-Befragung unter 1.318 Erben haben 588 angegeben, die Immobilie entweder vollständig oder zumindest teilweise leer stehen zu lassen.“
Erben kommen mit Rollenwechsel nicht klar
Viele Miterben werden mit dem Tod des Erblassers über Nacht zu Vermietern. „Dieser Rollenwechsel überfordert sie und schafft neue Ängste“, hat Manfred Gabler beobachtet. „Denn bis zur Auflösung der Erbengemeinschaft können sich die Mehrheitsverhältnisse schnell ändern. War die Mehrheit gestern noch von einer Vermietung überzeugt, steht morgen schon der Verkauf der Immobilie oder die Vermietung an einen Miterben auf der Agenda.“ Dazu kommt: Statt in der Familie nach einem Erbfall an einem Strang zu ziehen und den Nachlass im Sinne des Erblassers zu regeln, drohen Familien an aufkommenden Erbstreitigkeiten zu zerbrechen. Bei 68 Prozent aller Fälle sind laut Studie der Fa. ErbTeilung die eigenen Geschwister diejenigen, die durch ihre fehlende Zustimmung eine Auflösung der Erbengemeinschaft bewusst verhindern und über lange Zeit blockieren. Solange ist dann meist auch das Schicksal der Erbschaftsimmobilien ungewiss.
Leerstand ärgert auch die Erben
Aber auch die leerstehende Immobilie sorgt mit immerhin knapp 35 Prozent für Ärger in den Erbengemeinschaften. Grund dafür sind die Unterhaltskosten wie Grundsteuer, Strom, Wasser, Versicherungen etc., die trotzdem fällig werden, auch wenn die Immobilie unbewohnt ist und keinen Ertrag abwerfen kann. Kosten ohne eine Aussicht auf Erlöse, solange die Erbengemeinschaft nicht aufgelöst ist, werden zum Ärgernis eines jeden Erben. „Diese Streitszenarien und die sich dahinter verbergenden Gründe verdeutlichen, dass ein Bußgeld in Erbengemeinschaften nicht weiterhilft, mehr Wohnraum zu schaffen“, vermutet Manfred Gabler. Deshalb hat auch der Hessische Landtag in dem jüngst verabschiedeten neuen Leerstandsgesetz klargestellt, dass Leerstände von mehr als einem halben Jahr bei Erbauseinandersetzungen ausnahmsweise zulässig sind.
Erben sind übervorsichtig
Außerhalb Hessens ist aber nicht ausgeschlossen, dass Erbengemeinschaften wegen Leerstands gleichwohl mit Bußgeldern belegt werden. Hier wäre es jedoch sinnvoller, mit Belohnungen zu arbeiten statt mit Bestrafung. „Die Anreize könnten finanzieller Art sein oder auch gemeindliche Garantien beinhalten, dass etwaige Mietrückstände oder Schäden für Mieter übernommen werden“, schlägt Gabler vor. Zudem beobachtet er bei vielen Erben eine übervorsichtige Haltung im Zusammenhang mit der Vermietung der Erbschaftsimmobilie. Das liegt auch daran, dass die Erben im Fall einer späteren Veräußerung des Objekts mit einer schlechteren Verwertung rechnen, weil die Immobilie vermietet ist. Zwar sieht das deutsche Mietrecht in diesem Fall die so genannte Verwertungskündigung vor. Lässt sich die Immobilie wegen der Vermietung nur zu einem niedrigeren Preis veräußern, haben die Eigentümer ein Kündigungsrecht „Die Voraussetzungen für diese Kündigung sind allerdings ebenso kompliziert wie bei der Eigenbedarfskündigung. Wenn der Bundesgesetzgeber hier Erleichterungen schaffen würde, könnte sich das auf die Bereitschaft zur Vermietung in den Erbengemeinschaften positiv auswirken“, ist Gabler überzeugt.
Quelle: Marcus Creutz, Public & Media Relations, Fotocredit: KNJ/Martina Uckermann
