Anni Friesinger-Postma ist eine Legende im Eisschnelllauf. Im Interview kritisiert sie den unachtsamen Umgang mit Sportlern während ihrer aktiven Zeit und erklärt, worauf sie heute bei ihren Kindern achtet. Sie ist eine Legende im Eisschnellauf: Im Jahr 2010 beendete Anni Friesinger-Postma ihre Karriere. Drei Mal gewann sie bei Olympischen Spielen, wurde 16 Mal Welt- und fünf Mal Europameisterin. Im Interview spricht die heute 48-Jährige über den unachtsamen Umgang mit Sportlern während ihrer aktiven Zeit und erklärt, worauf sie heute bei ihren Kindern achtet.
Frau Friesinger, Sie spielen nun Eishockey?
Anni Friesinger: Durch meine Kinder kam ich dazu, sie spielen beide in der österreichischen Bundesliga, sogar auch international. Ich wollte Eishockey noch besser verstehen. Also habe ich erst in einer gemischten Mannschaft angefangen. Seit 2023 spiele ich in Inzell in einer Damenmannschaft.
Entspannt Sie ein Sport, in dem es nicht um Höchstleistungen geht?
Friesinger: Ich muss keine Weltrekorde mehr machen. Es ist ein Mannschaftssport, es kommt aufs Timing an, man gewinnt zusammen, man verliert miteinander. Das liebe ich. Ich kann mittlerweile schon richtig gut schießen.
Werden Ihre beiden Töchter beim Eishockey bleiben?
Friesinger: Sie können Eisschnelllauf auch sehr, sehr gut. Speziell die Größere, Josefine, hat eine sehr schöne Technik. Sie ist keine Edelsprinterin, aber ein Riesentalent. Doch im Moment spielt sie lieber Eishockey. In Österreich gehört sie zu den sechs Besten ihres Alters.
Und Elisabeth?
Friesinger: Die ist jetzt zehn, auch ein großes Talent, die darf schon in der U13 mitspielen, ist da auch in der Bundesliga. Sie geht ihren Weg.
Wenn eine meiner Töchter krank ist, bleibt sie zu Hause und erholt sich. So etwas war früher nicht selbstverständlich
Ihre Eltern waren Eisschnellläufer, Ihr Bruder, Ihre Schwester, Ihr Ehemann. Offenbar haben die Kinder auch die Eis-Leidenschaft geerbt. Sie sagten mal: „Sport ist gesund. Jahrelanger Leistungssport nicht.“ Wie halten Sie es bei Ihren Kindern?
Friesinger: Sport ist für Kinder so wichtig. Weil man sich mit seinem Körper beschäftigt und auch einen Ausgleich schafft zum Alltag, zur Schule. Weil man lernt, mit Niederlagen umzugehen – und dass Fleiß belohnt wird. Es formt einen auf alle Fälle. Wir hatten zu meiner aktiven Zeit extrem viele gute Sportler, und man ging unachtsam mit ihnen um. Zu schnell aufgebaut, zu schwere Gewichte: Da habe ich meine Knie- und Rückenverletzungen davongetragen. Wenn eine meiner Töchter krank ist, bleibt sie zu Hause und erholt sich. So etwas war früher nicht selbstverständlich.
Sie haben ein Auge darauf, dass die Gesundheit Ihrer Töchter nicht leidet?
Friesinger: Ich versuche es, ja. Sport tut manchmal weh, du gehst über Grenzen, auch im Wettkampf. Aber er soll dem Körper nicht schaden.
Sport ist für Kinder so wichtig. Weil man sich mit seinem Körper beschäftigt und auch einen Ausgleich schafft zum Alltag, zur Schule
Bei Ihnen haben die Knie zum Karriereende geführt.
Friesinger: Ich habe eine schwere Arthrose davongetragen. Und ich hatte vier Bandscheibenvorfälle. Ich mache aber nach wie vor Sport – als Balance zum Alltag.
Und das geht?
Friesinger: Das packe ich noch alles. Skifahren geht gut, Fahrradfahren auch. Das Einzige, was ich nicht mehr kann, ist joggen. Das tut weh, die Stoßbelastung ist zu hoch.
Sie haben Asthma. Wann trat die Erkrankung zum ersten Mal bei Ihnen auf?
Friesinger: Als ich vier war, bemerkten meine Eltern, dass ich Atemprobleme hatte. Das war vor allem allergisches Asthma, von Katzen und Kaninchen hielt ich mich besser fern. Das habe ich aber sehr gut in den Griff bekommen. Wir haben die Ferien am Meer verbracht, die Luft tat mir gut. Für Asthmatiker ist Bewegung extrem wichtig, ich rede aber nicht von Leistungssport.
Viele Eltern sorgen sich und denken, ein Kind mit Asthma müsse sich schonen …
Friesinger: Eben nicht! Man muss es sanft zum Sport führen, so lernt es seinen Körper besser kennen. Es gibt so tolle Atemübungen, mit denen man lernt, bei einem Asthmaanfall ruhig zu bleiben. Bei mir kam später auch noch eine Pollen- und Gräserallergie hinzu. Als ich mal eine Bronchitis bekam, dachte ich: „Ach, nur ein Belastungshusten“, und lief weiter Wettkämpfe. Leider bekam ich dann ein Kälte- und Belastungsasthma obendrauf. Ich gehe gerne über die Grenzen, kann Schmerz sehr gut verdrängen, das ist manchmal eben nicht gut.
Ich gehe gerne über die Grenzen, kann Schmerz sehr gut verdrängen, das ist manchmal eben nicht gut
Wie sind Sie damit umgegangen?
Friesinger: Damals musste ich dann auch eine Zwangspause einlegen, erst mal gesund werden. Zum Lungenfacharzt, mit Medikamenten neu eingestellt werden. Es war hart und langwierig, das Vertrauen zum Körper wiederzufinden. Die extrem trockene Luft in den Eishallen war ein Problem, die Luftfeuchtigkeit dort beträgt nur zwischen 12 und 17 Prozent. Auch in der Höhe hatte ich Probleme, wegen der dünnen Luft. Ich fand irgendwann selbst heraus, was guttut. In Hotels habe ich ein paarmal die heiße Dusche laufen lassen, um das Zimmer zu befeuchten. Oft gingen deswegen die Rauchmelder an.
Half eine Desensibilisierung, also eine Immuntherapie, bei der der Körper allmählich an die Allergene gewöhnt wird?
… Sie sprechen von Ihrem Concept-Store?
Friesinger: Genau. Wir haben jetzt einen neuen Standort in Salzburg. Man muss sich nach der Nachfrage richten: Einzelhandel ist wie Leistungssport – ein hartes Business. Deswegen habe ich neben Kindersachen auch Deko und Mode für Frauen im Sortiment.
Sie haben neuerdings auch einen Podcast …
Friesinger: … das ist der „Ice-Salon“ mit dem Ex-Eishockey-Torwart Patrick Ehelechner. Wir lernten uns vor zwei Jahren bei einem Fotoshooting kennen und waren uns gleich sympathisch. Wir wollten etwas zusammen machen, und da gefühlt heutzutage ja jeder einen Podcast hat, haben wir eben auch einen. Schließlich reden wir beide gerne super viel. Das machen wir jeden Donnerstag für 45 Minuten.
Worum geht es da?
Friesinger: Wir reden natürlich über Eissport, über Sport generell und übers Alltägliche. Wir lästern auch gern … Oft nehmen wir in meinem Laden auf, während der Öffnungszeiten, manchmal verkaufe ich nebenbei eine Hose oder eins unserer Kinder kommt aus der Schule.
Sie wurden mal in einem Interview gefragt, ob Sie Angst hätten vor dem Karriereende. Damals haben Sie geantwortet: „Ich stelle es mir auch schön vor. Es ist anstrengend, über all die Jahre immer die Gejagte zu sein.“ Wie sehen Sie es jetzt, mit fast 18 Jahren Abstand?
Friesinger: Diesen extrem krassen Siegeswillen wie früher habe ich nicht mehr. Es war ein wunderschöner Lebensabschnitt und, ja: Der Abschied tat weh. Er war leider auch nicht ganz freiwillig, die Verletzungen und eine schwere Operation am Knie zwangen mich dazu. Auf der anderen Seite: Ich kann auf eine erfolgreiche Karriere zurückblicken, habe durch den Sport meinen Mann kennengelernt. Wir haben so viele wunderschöne gemeinsame Erinnerungen geschaffen. Das macht mich glücklich, und da darf man einfach mal dankbar sein. Ich hätte nur gern meinen Körper von vor der Operation zurück.
Text – und Bildquelle: Apotheken – Umschau/Thomas Röbke, Fotocredit: Apotheken – Umschau/K2