Kommen Welpen in eine neue, für sie fremde Situation, verhalten sie sich erst mal zurückhaltend. Das ist verhaltensbiologisch betrachtet ein instinktiv normales Verhalten. Denn „Draufgänger“ laufen in der Natur eher Gefahr, in gefährliche Situationen zu kommen. Mit diesem zurückhaltendem Verhalten, was viele Menschen mit Angst in Verbindung bringen lösen Welpen in uns das starke Bedürfnis aus, ihnen unsere volle Aufmerksamkeit zu geben. „Schnell wird aus dem anfangs ruhigen Vertreter ein Draufgänger, der ein ganzes Familienleben auf den Kopf stellen kann“, weiß Marion Terhaar, zertifizierte Hundetrainerin und Verhaltensberaterin für Menschen mit ihren Hunden.

Im Hunderudel steht der Welpe stets an unterster Stelle. Er muss lernen, sich dem Rudel anzupassen. Kommt er zu uns Menschen, steht er im Mittelpunkt. Er bekommt viel Aufmerksamkeit, wird gelockt, bespaßt und früh mit Kommandos konfrontiert, die er für ein Leckerli ausführen soll. Das führt in der weiteren Entwicklung des Hundes unweigerlich zu Erziehungsschwierigkeiten. Im Folgenden nennt die Expertin fünf Grundlagen, die jedem Welpenbesitzer helfen, ihren Welpen besser zu verstehen.

1. Management mit häuslichen Bewegungsspielräumen

Jedes Lebewesen, insbesondere das Säugetier, hat das Bestreben, selbstbestimmt zu leben. Es geht einzig und allein um das Überleben und um die Verbesserung der eigenen Fitness. Kein frei lebender Straßenhund muss in Grenzen leben, die der Mensch ihm auferlegt. Er liegt wo er will, frisst wann er kann und sucht sich seine Gesellschaft, mit der er leben möchte, selbst aus.

Unsere Welpen können das nicht. Darum müssen sie , entgegen ihrem natürlichen Instinkt, lernen, sich von uns Menschen begrenzen zu lassen. Dafür sollte sich der Welpe in seinem neuen Zuhause auf jeden Fall wohl und sicher fühlen. Um sich an diese Art der Manipulation gewöhnen zu können, hilft ein klares Management mithilfe einer Hausleine zum gelegentlichen Anbinden – aber auch der Einsatz eines Welpenauslaufes kann dabei sehr hilfreich sein. Schließlich ist es wichtig, dass der Mensch sich auch dann, wenn der Welpe protestiert, von seinem Protest abgrenzt und die Begrenzung vorzugsweise erst dann beendet, wenn der Welpe sich damit abgefunden hat.

2. Dem Welpen klare Signale senden

Eine für den Welpen klare Kommunikation ist für ein entspanntes Miteinander unabdingbar. Dafür ist es wichtig zu wissen, wie Welpen innerartlich lernen. Da sie sich bedingt durch den Folgetrieb am Verhalten der Hundemutter orientieren und nicht umgekehrt. Hundemütter fordern nichts von ihren Welpen, sie verhalten sich einfach – ungeachtet dessen, wie der Welpe die Situation gerade erlebt. Nur so lernt ein Welpe sich in einer Gruppe anzupassen. Folglich helfen klare Handlungen mithilfe von Signalen dem Welpen, sich nach der Übergabe auch an seinen Menschen zu orientieren. Im Fokus des Ganzen steht der Aufbau einer stabilen, wertfreien Mensch-Hund-Beziehung.

3. Leckerlis wertfrei einsetzen

Der Aufbau einer engen Bindung ist der wichtigste Baustein in der Hundeerziehung. Entgegen der landläufigen Meinung wird Bindung jedoch nicht über das Erlernen von Kommandos mithilfe von Leckerlis aufgebaut. Im Tierreich gibt es nämlich keine Erziehung über Futter. Die Vergabe von Nahrung erfolgt immer wertfrei. Darum können Welpen diesen Erziehungsansatz nicht verstehen. Leckerlis können aber aus Liebe, einfach so, ohne den Anspruch auf Leistung gegeben werden. Ein wertfreier Bindungsaufbau ist sehr viel nachhaltiger und tiefgreifender.

4. Genügend Ruhephasen ermöglichen

Gerade im häuslichen Umfeld ist es oftmals schwer, dem Welpen die nötigen Ruhephasen zu ermöglichen. Jeder möchte ihn begrüßen, nett zu ihm sein, mit ihm spielen, ihn beschäftigen und dergleichen. Menschen können sich oft schlecht abgrenzen und reagieren im Gegensatz zur Hundemutter auf jede Aktion des Welpen. Der Welpe wiederum reagiert auf die menschlichen Aktivitäten mit gesteigerter Unruhe, da er in eine Erwartungshaltung kommt.

Gerade im Bindungsaufbau und im Aufbau von sozialen Strukturen ist das nicht zielführend. Grundsätzlich sollte jeder Welpenbesitzer eine genaue Vorstellung haben, wie er sein Leben mit Hund gestalten möchte und ihn entsprechend erziehen. Einmal erhaltene Privilegien wieder abzulegen ist auch für den Hund schwer.

5. Objektspiele vermeiden, Körpernähe fördern

Hunde sind Jagdtiere. Dementsprechend lieben sie es, einem Ball hinterherzulaufen oder ein Zerrspiel anzuzetteln. Dennoch sollten Hundebesitzer diese Art von Spielen vermeiden, denn es dient aus biologischer Sicht ausschließlich dem Erlernen des künftigen Jagdverhaltens. Besser ist es, auf einen gezielten Bindungsaufbau mit Kuscheln und Co. zu setzen. Denn einen jagenden Hund will letztlich keiner, einen verschmusten wünscht sich jeder.

Über Marion Terhaar:

Ihre Arbeit als Hundetrainerin und Verhaltensberaterin für Menschen mit ihren Hunden hat sie zu dem Punkt geführt, an welchem der Mensch in das Leben des Hundes eintritt und an seiner Entwicklung mitwirkt. In der Regel sind es Zucht und Aufzucht mit all ihren mehr oder weniger unterschiedlichen Ansätzen. Ihre Beobachtungen und daraus resultierenden Erkenntnisse beeinflussten ihre Arbeit und auch die Beratung von Menschen mit ihren Welpen. In dem aus ihrer beruflichen Tätigkeit hervorgegangenen Zuchtprogramm „FAMILYDOGS4U“ – artgerecht Hunde züchten“ und dem daraus von ihr entwickelten einzigartigen neuen Konzept „DOG-SCHOOLING – artgerecht Hunde führen“ legt sie ihren Fokus einzig darauf, Menschen auch online so zu schulen, dass diese mit ihren Hunden ein glückliches, harmonisches und möglichst problemfreies Miteinander leben können. Dazu legt sie von Anfang an Wert auf eine hundegerechte Erziehung, bei welcher es im Kern auf eine gute Mensch-Hund-Verständigung ankommt. Weitere Informationen unter: https://www.familydogs4you.de/ und www.DOGschooling.de

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Quelle: Hundezentrum Dinkelblick/Marion Terhaar, Bildquelle: Pexels

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