Frühgeborenen Babys fehlt die volle Entwicklungszeit im schützenden Bauch der Mutter. Wenn sie vor dem errechneten Geburtstermin zur Welt kommen, sind ihre Organe noch unreif. Der kleine Körper ist erst rund um den errechneten Geburtstermin so weit, um alle wichtigen Körperfunktionen übernehmen zu können. Deswegen entwickeln die Allerkleinsten mitunter spezifische, lebensbedrohliche Erkrankungen. Eine zentrale Rolle für ihr Überleben spielt dabei die Lunge. Die Neonatologie, wie man die Neugeborenenmedizin in der Fachsprache bezeichnet, hat in den vergangenen Jahren enorme Fortschritte gemacht. „Auch dank medikamentöser Therapieoptionen überleben heutzutage in der Regel sogar sehr kleine Frühgeborene“, betont BPI-Expertin Dr. Meike Criswell, Geschäftsfeldleiterin für Kinderarzneimittel beim Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie e.V. (BPI). Eine gute Nachricht zum Welt-Frühgeborenen-Tag!

Jahr für Jahr kommen in Deutschland rund 60.000 „Frühchen“ auf die Welt. Frühchen nennt man vor der vollendeten 37. Schwangerschaftswoche (SSW) geborene Babys. Je früher jedoch die Geburt vor dem errechneten Termin liegt, desto „unreifer“ ist das Neugeborene. „Je früher ein Baby geboren wird, desto größer ist das Risiko für gesundheitliche Komplikationen und für sein Überleben. Doch dank der enormen Fortschritte in der Neonatologie überleben heutzutage sogar sehr kleine Frühgeborene, die vor der 24. SSW und damit mehr als vier Monate vor dem errechneten Geburtstermin die Welt erblicken“, betont Criswell. Nach der Neonatalerhebung des Instituts für Qualität und Transparenz im Gesundheitswesen im Jahr 2022 überlebten in Deutschland knapp 90 Prozent von den stationär aufgenommenen Frühgeborenen mit unter 1.500 Gramm Geburtsgewicht. Optimal versorgt und intensivmedizinisch behandelt, werden Frühgeborene in spezialisierten Behandlungszentren, sogenannten Perinatalzentren.

Surfactant-Präparat erleichtert das Atmen

Das Überleben von Frühgeborenen ist zum Beispiel oft davon abhängig, wie reif ihre Lungen sind. Rund 60 bis 80 Prozent der Frühgeborenen, die unter der 28. Schwangerschaftswoche zur Welt kommen, entwickeln ein sogenanntes Atemnotsyndrom (ANS). Unbehandelt ist es eines der häufigsten Todesursachen bei den Kleinen. Ihnen fehlt eine als „Surfactant“ bezeichnete Substanz in der Lunge. „Surfactant“ kommt von „Surface active agent“: die Substanz (agent) verringert die Oberflächenspannung (surface = Oberfläche) der Lungenbläschen, damit sich die Lunge gut entfalten kann. Ohne diese Substanz fallen die Lungenbläschen nach der Ausatmung in sich zusammen und füllen sich zunehmend mit einer eiweißhaltigen Flüssigkeit. Es droht ein Sauerstoffmangel. Um das zu verhindern, werden die Kleinen über eine Nasenmaske beatmet, bekommen Sauerstoff verabreicht sowie ein Surfactant-Präparat durch den Beatmungsschlauch oder einen dünnen Katheter direkt in die Lunge. „Die Emulsion überzieht die Lunge wie ein dünner Film und stabilisiert unter anderem die Lungenbläschen. So wird den Kleinen das Atmen erleichtert“, erklärt Criswell. Diese Behandlungsmöglichkeit war ein Meilenstein: Vor Einführung der Surfactant-Substitutionstherapie verstarben bis zu 50 Prozent der Frühgeborenen im Verlauf des Atemnotsyndroms.

Koffeinhaltige Medikamente regen die Atmung an

Immer wieder kann es auch zu Atemstillständen kommen, in der Fachsprache Apnoen genannt. Auch sie sind häufiger, je unreifer ein Frühgeborenes ist. Mildere Formen von Apnoephasen können beispielsweise mit koffeinhaltigen Arzneimitteln behandelt werden. Diese führen zu einer erhöhten Erregung des zentralen Nervensystems und infolgedessen zu einer gesteigerten Herzfrequenz und einer Steigerung des Atemantriebs. Aufgrund der noch nicht voll entwickelten Lungen sind auch viele andere für das Atmen notwendigen Mechanismen bei den Frühchen noch nicht angelegt. Infolgedessen kann innerhalb weniger Tage eine chronische Lungenschädigung entstehen.

Frühchen profitieren von einer Cortison-Inhalation

Weist ein Frühgeborenes auch noch 28 Tage nach der Geburt Zeichen von Atemnot auf und bleibt sauerstoffabhängig, so spricht man von einer bronchopulmonalen Dysplasie (BPD), der häufigsten chronischen Lungenerkrankung bei Frühgeborenen. Dabei entzündet sich die Lunge und vernarbt. Das führt zu einem Umbau der Lungengewebszellen und einer weitgehenden Zerstörung der Lungenbläschen. „Neben der Gabe von Surfactant-Präparaten und Koffein wird derzeit untersucht, ob Vitamin A Gewebeschäden abmildern kann“, ergänzt die BPI-Expertin. „Eine multizentrische Studie konnte zeigen, dass eine frühe und regelmäßige Inhalation mit Cortison die BPD-Rate senken konnte. Allerdings setzen Mediziner eine systemische Cortison-Therapie in Form von Injektionen oder Tabletten aufgrund der Nebenwirkungen meistens nur kurzzeitig ein“. Bei Bedarf erhalten Frühchen mit einer BPD auch nach der Entlassung eine Sauerstofftherapie oder sogar eine Atemunterstützung. „Was interessant ist: Die Erkrankung heilt zuhause besser aus, als im Krankenhaus“, so Criswell.

„Die aufgeführten Lungenerkrankungen sind Beispiele aus einer ganzen Reihe von spezifischen Organ-Erkrankungen von Frühgeborenen, für die es immer noch einen hohen Bedarf an wirksamen und zugelassenen Arzneimitteln gibt. In zahlreichen Forschungsprojekten arbeiten pharmazeutische Unternehmen daran, die Krankheiten zu therapieren und somit den Allerkleinsten den Start in ein gesundes Leben zu ermöglichen“, betont Criswell.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Quelle:BPI Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie, Bildquelle: Pexels (Archivbild)

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