Pop rules! Zum Herbstauftakt präsentiert 30works die Sonderausstellung Pure Pop Art. Dass es dabei um eine spannungsgeladene Ausweitung des Genres geht, beweist das internationale Line-up um AVone, Darko Caramello, François Coorens, Jörg Döring, Salva Ginard, Peintre X und Van Ray.

KoelnPurePopArtHerbst01
KoelnPurePopArtHerbst01

Wohl kaum ein Genre markierte eine derartige Zäsur im Kunstgeschehen wie die Pop Art: Laut, plakativ und im wahrsten Sinne eingängig brach sie ab Mitte der 1950er Jahre mit den Statuten eines bis dahin intellektuell verbrämten, starren Kanons. Und begründete mit überdimensionierten Alltagsgegenständen, Konsumgütern, Comic-Helden und Hollywoodikonen eine neue Bildsprache, deren Komplexität und Anspielungsreichtum sich erst auf den zweiten Blick erschloss. Denn tatsächlich brach Pop Art nicht nur mit dem alten Wertesystem, sondern stellte das neue gleich mit in Frage. Die Abbildung und Ikonisierung des vermeintlich Trivialen, Oberflächlichen war nichts anderes als ein ironisches Vexierspiel, das der Gesellschaft, ihren Bedürfnissen, ihrem vermeintlichen Streben nach Individualität – das letztendlich in der fortschreitenden Gleichschaltung mündet – und ihren Malaisen den Spiegel vorhält. Und damit zu einer sozialkritischen, ja nahezu politischen Kunstform avancierte.

KoelnPurePopArtHerbst02
KoelnPurePopArtHerbst02

30works präsentiert in ihrer Pure Pop Art-Ausstellung Werke, die das Genre um neue, zeitgemäße Tonalitäten anreichern und überraschend erweitern. So bleibt die Ikonisierung ein wichtiges Thema, wobei die Künstler sich zunehmend mit den Fragen nach Wahrnehmung, Verfall, Selbstreflexion und der menschlichen Entität auseinandersetzen – darunter besonders die Galerie-Newcomer um Darko Caramello, Salva Ginard und Peintre X, deren Arbeiten erstmals in Köln zu sehen sein werden. Bei Darko Caramello kommen zudem Elemente der Op-Art zum Tragen, die das Spiel um Wahrnehmungen und Sehgewohnheiten auf formale, geometrische Strukturen herunterbrechen und uns einmal mehr verdeutlichen: Am Ende folgt alles, auch die Kunst mitsamt ihrer Historie sowie ihrer diversen Stile und Ausrichtungen, der Lehre der reinen Mathematik. Und so wird Pop Art zu einer ihrer vielleicht komplexesten, expressivsten und greifbarsten Kunstformeln…

 

KoelnPurePopArtHerbst03
KoelnPurePopArtHerbst03

 

Die Künstler

AVone zählt zu den etablierten New Pop-Artists Nordamerikas – und seit rund einem Jahr zum Portfolio von 30works. Im Werk des New Yorkers manifestiert sich das Prinzip des „Destroy & Rebuild“, in dem er Siebdruck-Ansichten seiner Heimatstadt durch komplexes Multi-Layering und mit den Mitteln der Decollage fragmentarisiert, um sie im Anschluss mit Tags, Stencils und fragilen Malereien neu zusammenzusetzen. Technisch hochversiert und von einer fast poetischen Anmutung werden seine meist patinierten, rost-geprägten Arbeiten zu Oden an den Big Apple, die Versatzstücke aus Architektur, Gewebe und Farbe kunstvoll miteinander verschmelzen lassen. AVone prägt damit eine eigene Stilrichtung, die man als „Post-Graffiti“ bezeichnen könnte. Und die ihn als Neo-Popkünstler adelt, der nicht nur zum Chronisten, sondern zum Schöpfer einer modernen Großstadt-Poesie wird.

 

Eine Neuentdeckung von 30works ist der Hamburger Künstler Darko Caramello. In seinen Multicolor-Acrylgemälden ordnet der 35-Jährige repetitiv Quader, Würfel, Dreiecke und Rauten in dreidimensionalen Strukturen an, aus denen mittels der implizierten optischen Täuschung aufgrund von Farbabstufungen dann neue Muster und Anordnungen entstehen. Damit stehen Darko Caramellos Werke in der Tradition der Op-Art, die er um Elemente wie Drippings, Hell-Dunkel-Kontraste und Aussparungen anreichert. Was den kinetischen und irritierenden Charakter der Arbeiten nur weiter verstärkt. Mit dem Verschwimmen von Mustern, Kategorien und Sehgewohnheiten stellt der diplomierte Grafikdesigner Beziehungsgeflechte infrage und fordert den Betrachter indirekt auf, seine Denkmuster zu durchbrechen.

KoelnPurePopArtHerbst04
KoelnPurePopArtHerbst04

Das gipfelt in einem inneren Monolog um Wahrnehmung, Realität, Illusion und Wahrheit – und verweist gezielt auf den Konditionalismus, der stets die Gesamtheit der Bedingungen fokussiert. Heruntergebrochen auf geometrische Formen, die sich vor unserem inneren Auge immer wieder neu zusammensetzen, zeigen uns DCs Arbeiten zudem, dass sich letzten Endes sämtliche Materie auf die Mathematik kapriziert. Und Malerei eine jener Formeln ist, die uns Erkenntnisse über die Essenz des Lebens liefern. Darko Caramello lebt und arbeitet in Hamburg. Als Jugendlicher gehörte er der Graffiti-Szene an; nach einem Gefängnisaufenthalt aufgrund von wiederholter illegaler Sprayerei und anderen Delikten holte er seinen Schulabschluss nach und absolvierte eine Ausbildung zum Grafikdesigner. Er war zunächst Trickfilmzeichner und wurde 2007 freischaffender Künstler. Seine Bilder und Installationen wurden in zahlreichen Ausstellungen in Hamburg und Berlin gezeigt und sind auf Messen wie der Affordable Art Fair vertreten.

 

Eine feste Größe im 30works-Programm ist der belgische Künstler François Coorens. Seine unverwechselbaren Bildwelten, die exzessiv, ja überbordend komponiert sind, orientieren sich am Prinzip des kontrollierten Chaos. Im Zentrum stehen meist Supermodels und erotisch anmutende Frauenmotive, denen Coorens mit einer regelrechten Materialschlacht aus Acrylfarbe, Kreide, Marker und Airbrush zu Leibe rückt, flankiert von Schablonen-Techniken, kaschiertem Papier und Glitter. So haben die Inszenierungen etwas gleichsam Glamouröses wie Destruktives, ja fast Martialisches; womit der Belgier einmal mehr die gängige Werbeästhetik und den Pop-Hype ironisiert.

 

KoelnPurePopArtHerbst06
KoelnPurePopArtHerbst06

Von eindringlicher Komplexität sind die Bildwelten des Düsseldorfers Jörg Döring, einem Granden zeitgenössischer deutscher Pop Art. Das ausgeklügelte Spiel mit Materialien und Techniken, deren Kumulation in erstaunlich harmonischen Bildkompositionen gipfelt, gehört zu JDs Kernkompetenzen. Und macht seine meist großformatigen Arbeiten einzigartig. Mal pastos in Ölfarbe gebannt, mal als Siebdruck, mal ätherisch gesprüht, entwickeln seine Motive um Hollywoodstars und Comic-Helden ein erstaunliches Eigenleben – was dem stark narrativen und organischen Charakter seiner Arbeiten geschuldet ist. Döring setzt seine Protagonisten in immer neue, überraschende Kontexte, provoziert damit Brüche – und erhebt das Ikonische somit über den Mainstream.

 

Erstmals in Deutschland, nein vielmehr auf europäischem Festland zu sehen, sind die Werke von Salva Ginard. Auf Mallorca und den Balearen genießt er höchstes Renommee; nun debütiert er bei 30works. Dabei offenbart sich der 42-Jährige als Reanimator der Porträtmalerei und verweist damit auf große Meister und Landsleute wie Ribera, Murillo und Goya. Seine modernen Interpretationen dieses Genres sind jedoch weniger Inszenierung und Huldigung, als vielmehr gemalte Seelenzustände, die die Zerrissenheit und fehlende Verortung der Protagonisten thematisieren. Ginard arbeitet nicht nur die Physiognomien seiner Gesichter virtuos heraus, sondern dringt mit den Mitteln der Verzerrung, der Auflösung und der Fragmentarisierung in den Kern der menschlichen Psyche vor. Das Dissoziative, mitunter Zersetzende seiner Porträts stellt die Frage nach Selbst- und Fremdwahrnehmung, ist in seiner ästhetischen Komposition, die Anleihen bei der Pop Art nimmt, aber dennoch hoffnungsvoll. So wirken Salva Ginards Gruppenbilder mitunter wie Warhols Momentaufnahmen aus der Studio 54-Ära – wenngleich ihr Hedonismus hier kunstvoll aufgelöst wird. Salva Ginard lebt und arbeitet auf Mallorca. Neben der Malerei illustriert er auch Bücher und initiiert Happenings und Performances in seiner Heimat. 30works zeigt nun erstmals ausgewählte Arbeiten des Spaniers außerhalb der Balearen.

 

Ebenfalls Premiere bei 30works feiert der Münchener Künstler Peintre X. Mit seinen pastosen, fleischigen Porträts, meist von tiefroten, wulstigen Lippen geprägt, drängt er bewusst ins Plakative und setzte auf harte Konturen mit flächigen Ausrichtungen. Seine Gesichter sind das Konstrukt der Vorstellung von Menschsein; nicht fotorealistische oder ästhetisierende Wiedergabe, sondern vielmehr Zeugnisse von Selbstreflexion. Diese ungeschönten Antlitze stellt er in Kontext zu verkürzten oder literal neu angeordneten Textzeilen wie „Life is not always a Damien Hirst“, die er somit verfremdet und ihnen damit einen Subtext, ja eine fundamentale Umdeutung verleiht – womit er gleichzeitig seine Bewunderung für Hirst, als auch seine Kritik am Kunstmarkt zum Ausdruck bringt. Mit dieser Doppelbödigkeit und Ironie steht er ganz im Geiste der Pop Art; auf die er zudem mit Installationen von Neonschriften verweist. Reich an Zitaten und Anspielungen suchen die Werke von Peintre X die direkte Konfrontation mit dem Betrachter. Und fordern ihn zum Dialog heraus. Peintre X lebt und arbeitet in München. Seine Arbeiten wurden bereits in Basel und Hongkong gezeigt, außerdem auf Kunstmessen wie der ARTMUC und der Stroke Art Fair. 30works zeigt seine Arbeiten erstmals in Köln.

 

KoelnPurePopArtHerbst05
KoelnPurePopArtHerbst05

Van Ray stellt seinen Modelikonen und Comic-Heroen suggestive Claims und Kampfparolen an die Seite, die stets auf die Metaebene zielen. Und so ein reges Spiel um Realität und Illusion eröffnen, das so entlarvend wie charmant ist. Mit den Mitteln der Pop-Kultur übt er so subtile Kritik an Zeit und Zeitgeist – was seine „Fender-Bender“-Arbeiten konsequent fortführen. In dieser neuen Werkreihe zeigt der Bonner Künstler aufgeplatzte, rostige Metallplatten, die unter ihrer zerborstenen Oberfläche neonfarbene Plexiglasscheiben mit den typischen Frauenmotiven und Slogans bergen. So konterkariert er nicht nur die Inhalte, sondern auch die Materialien. Und offenbart uns einmal mehr das Spannungsfeld zwischen Verfall und Schönheit, Rauem und Ultraglattem, Reellem und Artifiziellem.

 

PURE POP ART @ 30works

Vernissage: Samstag 24.10.2015, 19 Uhr

Begrüßung durch Dr. Ulrich Soénius, stellvertr. Hauptgeschäftsführer der IHK Köln

Ausstellung: ab 24.10.2015

Öffnungszeiten: Di – Fr 15-19 Uhr, Sa 11-18 Uhr

30works Galerie

Antwerpener Str. 42

50672 Köln

0221/5700250

www.30works.de

 

Text- und Bildquelle: 30works Galerie

Fotos: Courtesy of 30works Galerie

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert