Seine Stimme ist Millionen Menschen als Vorleser von Hörbüchern vertraut: Schauspieler Rufus Beck spricht im Interview über seine Leserollen und erklärt, warum er manchmal fremde Menschen anspricht.
Sein Auftritt im Kino-Hit „Der bewegte Mann“ wurde preisgekrönt: Rufus Beck, geboren 1957, ist aber nicht Schauspieler in Filmen, auf Theater- und Musical-Bühnen. Seine Stimme ist auch Millionen Menschen als Vorleser von Hörbüchern vertraut. Im Interview spricht Rufus Beck über seine Vorleserollen, seinen Umgang mit dem Älterwerden und er erklärt, warum er manchmal fremde Menschen anspricht.
Rufus Beck: Ich habe einige Dinge von ihm aufgegriffen: seinen Hintergrundhumor, seine feine Ironie, den französischen Akzent. Deutsch mit französischem Akzent hat sofort etwas Weltläufiges. Es hat immer sehr viel Charme, wenn Sie Deutsch mit einem ausländischen Zungenschlag sprechen. Schon bei den „Harry Potter“-Hörbüchern hatte ich mich um viele Dialekte bemüht, die hinterlassen sofort einen Eindruck, ein Gefühl.
Ist Agatha Christie noch zeitgemäß und spannend? In einer Zeit, in der wir von Krimis überflutet werden?
Wie bereiten Sie sich auf Ihre Leserollen vor? Sie haben die komplette Bibel eingesprochen, die werden Sie nicht dreimal Probe gelesen haben.
Beck: Die Bibel war schon besonders, ich war erstaunt, was da alles drinstand. Es gibt sicherlich nicht viele Menschen in Deutschland, die wirklich jedes Wort gelesen haben. Bei Agatha Christie spreche ich nur eine Figur, das ist einfacher, als wenn ich ein Hörbuch einlese – auch, weil ich mit den anderen Sprechern im Austausch stehe.
Und wie war das damals bei „Harry Potter?“ Haben Sie die Figuren einfach schnell erfasst und hatten ein inneres Bild, was für Stimmen sie haben?
Sie setzen sich dafür ein, Kinder ans Lesen heranzuführen. Sind Hörbücher da nicht eine Konkurrenz?
Beck: Das stimmt. Aber in vielen Situationen können Sie nicht lesen, beim Autofahren beispielsweise. Mit Hörbüchern oder Podcasts schließen Sie das Lesen nicht aus, Sie ergänzen es. Lesen ist anstrengend, Kinder müssen das trainieren. Das geht aber nur, wenn Sie ihnen ein Vorbild sind. Wenn Sie nicht lesen, lesen die Kinder auch nicht. Das müssen einem die Eltern vorleben und die Großeltern.
In Ihrer Kindheit und Jugend deutete nichts auf eine Schauspielkarriere hin. Sie haben Islamwissenschaften, Ethnologie und Philosophie studiert.
Beck: Ich war desorientiert, ich wusste nicht, was ich machen sollte. Ich hatte wegen meiner schlechten Noten gar keine anderen Studienmöglichkeiten. Von den äußeren Umständen her war eine Schauspielkarriere unwahrscheinlich: Ich komme aus keiner bürgerlichen Familie, war erstmals mit 16 in einem Theater. Aber andere Menschen haben offensichtlich etwas in mir entdeckt, von dem ich nicht wusste, dass es in mir schlummerte. Wenn Sie mit einer gewissen Ignoranz und Naivität einfach drauflosgehen, nicht darüber nachdenken, ob Sie scheitern können, können Sie mitunter unglaublich viel erreichen. Heutzutage gibt es viel zu viele Bedenkenträger.
Waren Sie denn von den Absagen der Schauspielschulen nicht frustriert?
Beck: Ich denke, ich war schon frustriert, aber ich dachte immer: „Die haben einfach keine Ahnung!“ So war ich gestrickt. Auf meinem Weg habe ich aber alles gelernt, von Grund auf. Ich habe alles schon mal gemacht, und das macht mich aus.
„Ich glaube an die Kraft einer Vision“, haben Sie mal gesagt.
Beck: Ja. Das ist wie ein inneres Navigationssystem. Sie geben etwas ein, dann kommt eine Baustelle, Sie müssen einen Umweg fahren, aber Sie kommen letztendlich ans Ziel. Wenn die Vision stark genug und ganz tief in einem verwurzelt ist, kann es sein, dass sie in irgendeiner Form wahr wird. Ich finde Visionen wichtig. Die Ansprüche und Sehnsüchte verändern sich mit dem Alter. Aber wer sich nicht in die Zukunft sehnt, hat ein Problem.
Und wenn jemand sagt: „Ich bin so alt, was soll ich noch für Visionen haben?“
Beck: Dann gibt er oder sie sich selbst auf. Meiner Mutter musste vor anderthalb Jahren ein Bein abgenommen werden. Sie hat weiterhin Spaß am Leben. Sie ist fit, sie geht dreimal in der Woche mit dem einen Bein ins Fitnessstudio. Sie schaut nach vorn, sie ist eine Macherin. Andere müssen es halt lernen, die brauchen Hilfe.
Wie gehen Sie mit dem Altern um?
Beck: Das Thema beschäftigt mich sehr. Bei mir hängt ein Plakat, auf dem jede Woche bis zum 100. Geburtstag eines Menschen durch einen Punkt symbolisiert wird. Ich werde jetzt 68 Jahre alt und habe die zwei Drittel, die hinter mir liegen, sehr bildlich vor Augen. Aber auch das Drittel, das vielleicht noch vor mir liegt. Alles in diesem Leben ist geliehen, jede Woche kann meine letzte sein, weiß ich’s? Also fülle ich jede Woche einen dieser Punkte aus und frage mich: War das eine gute Woche? Es geht nicht darum zu sagen: Das war ein toller Tag und das war ein schlechter Tag. Es geht darum, achtsam zu sein. So schaue ich mit Dankbarkeit auf die Punkte, sehe aber auch: Die Einschläge kommen näher.
Beck: Früher war ich auch noch Alpinklettern. Da habe ich zu viel Respekt bekommen, vielleicht auch Angst – und mit Angst lässt sich nicht gut klettern. Aber ich glaube, Spaß an der Bewegung zu haben, bedeutet auch immer, dass man sich autark macht.
Stimmt es eigentlich, dass Sie unterwegs gern mal Fremde ansprechen?
Beck: Sie glauben gar nicht, was Sie mit so kleinen, freundlichen Bemerkungen auslösen! Wenn ich zu einem Fremden sage: „Toller Mantel!“, hebt das seine Stimmung so, dass er sich noch den ganzen Tag freut. Ein kurzer Dialog an der Supermarktkasse: Sie können Menschen so viel Energie durch Zuwendung geben. Und das mit kleinstem Einsatz.
Text und Bildquelle: Senioren Ratgeber, Fotocredit: Wort & Bild Verlagsgruppe/Fotograf: Audible/Wolf Lux