Tief in der Nacht verlässt Antonio Russo mit den letzten vier Mitarbeitern sein Restaurant. Plötzlich tauchen zwei Personen mit Maschinenpistolen auf und eröffnen das Feuer.  Unverzüglich wird der erfahrene SOKO-Chefermittler Ingo Thiel zum blutigen Tatort beordert, denn schnell ist klar, dass der kaltblütige Mordanschlag in Zusammenhang mit der ‚Ndrangheta, der kalabrischen Mafia, steht.

Ingo Thiel (Heino Ferch, l.) stellt sich mit Staatsanwalt Zeller (Joachim Król, r.) der Presse. Diese ist nicht begeistert davon, dass die italienischen Medien bereits wenige Stunden nach dem Anschlag Details zum Fall berichten konnten.

Sogleich ruft Thiel eine Sonderkommission ins Leben   Mafia-Experte ist jedoch keiner von ihnen. Interpol stellt ihnen deshalb die italienische Spezialermittlerin Carla Orlando unterstützend zur Seite. Mit ihrer Hilfe wird das Bild schnell klarer: Der ermordete Wirt war der Sohn von Luigi Russo, dem Kopf des Russo-Clans aus San Vitale in Kalabrien. Vor 15 Jahren ist dieser auf der Flucht vor den Behörden untergetaucht. Bei der Untersuchung von Antonio Russos zerschossenem Wagen machen Thiels Kollegen eine rätselhafte Entdeckung: Der Wagen ist vollständig verwanzt. Durch DNA-Spuren finden die Ermittler heraus, dass die beiden gesuchten Täter verwandt sind.

In Kalabrien hat der Familienstreit der Russos mit den Costas schon mehr als 100 Todesopfer gefordert. In Deutschland kann endlich ein erster Ermittlungserfolg verbucht werden: Der erste Täter wird von Thiel und Carla überführt. Da die Hilfe aus Italien spärlich ist und Thiel immer noch nichts über den professionellen Lauschangriff auf den Wagen der Opfer erfahren hat, fliegt er mit Carla nach Kalabrien. Dort erhoffen sie sich Unterstützung vom Oberstaatsanwalt und berüchtigten Mafia-Jäger Silvio Bertone, um den zweiten, immer noch flüchtigen Täter zu schnappen.

Ingo Thiel (Heino Ferch, l.) und Winni (Ronald Kukulies, r.) warten vor dem Haus des Verdächtigen Lorenzo Costa (Riccardo Ferreira) darauf, dass dieser seine Wohnung verlässt.

Heino Ferch im Interview

War Ihnen vor den Dreharbeiten bewusst, wie weit die ‚Ndrangheta in Deutschland verbreitet ist?

Nein, das war mir nicht klar. Natürlich kenne ich diesen Klischee-Spruch, dass alle Italiener Schutzgeld bezahlen müssen, dem ich aber keine besondere Bedeutung zugemessen habe. Nach dem Film und nachdem ich mich mit der Thematik auseinandergesetzt habe, sehe ich die Dinge mit etwas anderen Augen. Da bekommt man schon eher ein Gefühl dafür, warum da so dicke Karossen vor der Tür stehen, obwohl es sich nur um eine einfache Pizzabude handelt.

Die Zusammenarbeit zwischen Ingo Thiel und der italienischen Interpol-Verbindungsbeamtin Carla Orlando ist schwierig.

Die Italiener arbeiten mit ganz anderen Parametern, schon allein deshalb, weil sie die Mafia im eigenen Land haben. Dadurch steht die italienische Polizei ständig unter Stress und erlebt einen enormen Druck in der Öffentlichkeit. In Deutschland fährt man eine völlig andere Ermittlungstaktik, hier wird viel mehr unter dem Deckel gehalten, um im entscheidenden Moment noch Asse im Ärmel zu haben. Das können sich die italienischen Kollegen nicht leisten, sie müssen maximale Transparenz zeigen, damit ihnen niemand unterstellen kann, dass sie etwas verschleiern wollen. Für einen Typ wie Thiel, der gerne alle Fäden in der Hand behält, ist das natürlich nur schwer zu akzeptieren. Ich habe immer gedacht, dass es doch möglich sein muss, sich mit zwei Telefonaten oder Mails ganz unkompliziert gegenseitig zu helfen. Aber ich musste lernen, dass es unglaublich schwer ist, länderübergreifend zusammenzuarbeiten, trotz Europa, trotz Digitalisierung. Jeder will seine Trümpfe in der Hand halten und den Erfolg dann auf seiner Karte verbuchen. Auf der einen Seite mögen wir zwar die kulturellen Unterschiede, aber eben nicht die Hürden, die sie uns in den Weg legen. Es ist ein bisschen so, wie den Kuchen zu essen und ihn dabei in der Hand zu behalten.

In einer Szene gerät Ingo Thiel mit Oberstaatsanwalt Zeller aneinander, als dieser ihm die Video-Mitschnitte der Maut-Kameras zu Fahndungszwecken aus Gründen mangelnder Verhältnismäßigkeit verweigert. Wie stehen Sie persönlich dazu?

Ich bin da hin- und hergerissen. Auf der einen Seite finden wir Videoüberwachung gut, wenn wir selbst in Schwierigkeiten sind und uns die Kameras vielleicht vor Schlimmerem retten. Und die Ermittler – wie in unserem Film – verdienen unseren Dank, dass sie quasi ihr ganzes Leben der Verbrecherjagd widmen, und natürlich sollte man ihnen bei ihren Ermittlungen maximale Freiheit geben. Doch es ist ein zweischneidiges Schwert, wo ist die Grenze zwischen Schutz und Überwachung? Wo ist die Sicherheit, dass wirklich sensibel mit den Daten umgegangen wird? Deshalb kann ich Zeller, der geltendes Recht vertritt, verstehen. Gut ist, dass so ein ausdauernder Bollerkopp wie Thiel es dann trotzdem schafft, die rechtlichen Bedingungen einzuhalten und zum Fahndungserfolg zu kommen.

Sie haben auch in Kalabrien, dem Ursprung der ‚Ndrangheta, gedreht. Wie haben Sie das empfunden?

Eine knappe Woche vor Drehbeginn in Kalabrien gab es diese großangelegte Razzia gegen die ‚Ndrangheta in insgesamt vier Ländern und auch in NRW mit zig Verhaftungen. Nicht unbedingt das beste Timing, wenn man einen Anti-Mafia Film in Kalabrien drehen will. Da waren wir schon alle etwas nervös und hatten einen großen Respekt. Die italienische Service-Produktion hat für Sicherheit gesorgt und vor Ort auch mit den Leuten kommuniziert, die sich für unsere Arbeit interessiert haben. Letztlich denke ich aber, die ‚Ndrangheta hat andere Probleme, als sich mit einem deutschen Filmteam zu beschäftigen.

Welche Eindrücke haben Sie von dem Dreh in Kalabrien mitgenommen?

Vor allem ist mir die Verwahrlosung der Region extrem ins Auge gefallen. Da sind ganze Straßenzüge verrottet und voller tiefer Schlaglöcher, die Müllentsorgung funktioniert überhaupt nicht. Straßenschilder mit Einschusslöchern, so wie man sie in unserem Film sieht, habe ich wirklich gesehen. Die Mafia greift das ganze Geld ab, da bleibt nichts für die Kommune übrig. Einzig der Blick auf den Ätna, wenn Du auf dem Balkon stehst, ist wirklich malerisch.

Mitte Januar verstarb Regisseur Urs Egger. Welche Erinnerung verbinden Sie mit ihm?

Urs Egger war jemand, der durch die Sachen durchgeht, ein echter Steher. Cineastisch besessen, wenn er einen Tag geleitet hat, wurde viel gelacht, und man hatte nie das Gefühl, dass ihm etwas egal war. Er hat immer gebrannt, mit jedem Moment, jeder Situation gerungen, er hatte Lust auf jedes Bild, auf jede neue Szene. Urs war immer der dünne, lange Mann mit Tolle, Zigarette und Drehbuch unter dem Arm, immer im Gespräch. Er saß nie irgendwo rum, er hatte immer etwas zu besprechen, vor allem mit seinem Kameramann Lukas Strebel. Wie zwei besessene Jungs, die wie Spürhunde gerochen haben, ob noch was geht. Urs hatte die Haltung: „Anything goes“.

Besetzung

Ingo Thiel                    Heino Ferch

Carla Orlando             Verena Altenberger

Winni                            Ronald Kukulies

Staatsanwalt Zeller    Joachim Król

Martha                          Maya Bothe

Silvio Bertone              Stefano Viali

Sofia Russo                  Marie-Lou Sellem

Antionio Russo           Antonio Putignano

Tim Koller                   Moritz Führmann

 

ZDF, Montag, 12. Oktober 2020, 20.15 Uhr

ZDFmediathek, ab Montag, 5. Oktober 2020

 

 

 

 

 

 

Text – und Bildquelle: ZDF, Fotocredit: ZDF/Frank Dicks

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