Neuigkeiten aus aller Welt sind ständig auf verschiedenen Kanälen abrufbar. Wie beurteilen wir, ob wir etwas glauben oder es als „Fake News“ abtun? Forschende der Fakultät für Psychologie der Universität Basel haben untersucht, wie Wahrheitsurteile zustande kommen.

Bei der täglichen Informationsflut ist es schwer, den Überblick zu behalten. Ausserdem stellt sich die Frage: Stimmt überhaupt, was ich gerade gelesen habe? Das einzuschätzen ist nicht einfach und die nötigen Kapazitäten sind nicht immer vorhanden. Auch Emotionen und Stress beeinflussen, wie wir Informationen beurteilen und ob wir ihnen Glauben schenken oder nicht. Prof. Dr. Rainer Greifeneder und Dr. Mariela Jaffé aus der Abteilung Sozialpsychologie der Universität Basel wollen besser verstehen, wie sogenannte Wahrheitsurteile zustande kommen und haben in mehreren Studien untersucht, wie statistische Aussagen wahrgenommen werden. Dazu sollten Testpersonen verschiedene Informationen als wahr oder falsch beurteilen. Die Ergebnisse sind kürzlich in der Zeitschrift „Social Cognition“ erschienen.

Die Kraft der Verneinung

Bei der Beurteilung des Wahrheitsgehalts spielt es eine wichtige Rolle, wie eine Aussage formuliert ist, das sogenannte Framing. Negative Aussagen werden eher als wahr eingestuft als positive. Dieser Effekt ist in der Literatur als Negativitätsbias in Wahrheitsurteilen bekannt. Die Forschenden gingen in ihrer Untersuchung einen Schritt weiter und unterscheiden zwischen dem Konzept und der Verneinung, da beide Komponenten dazu führen können, dass eine Aussage negativ ist. Konzepte basieren auf den Wertvorstellungen einer Gesellschaft und können gemäss der Norm positiv oder negativ sein. So gilt Zufriedenheit mit dem eigenen Aussehen als erstrebenswert und damit als positiv, Unzufriedenheit hingegen als negativ. Durch den Fokus auf das positive oder negative Konzept kann eine positive oder negative Aussage entstehen, wie beispielsweise: „39 Prozent der deutschen Frauen sind mit ihrem Aussehen zufrieden“ oder „61 Prozent sind mit ihrem Aussehen unzufrieden“.

Eine weitere Möglichkeit, negative Aussagen zu generieren, ist der Einsatz von Verneinungen. Der positiven Aussage „39 Prozent der deutschen Frauen sind mit ihrem Aussehen zufrieden“ kann die negative Aussage „61 Prozent sind mit ihrem Aussehen nicht zufrieden“ entgegengestellt werden. „Wir haben in den Studien gezeigt, dass Aussagen als wahrer beurteilt werden, wenn sie negativ formuliert werden“, fasst die Studienmitautorin Mariela Jaffé die Ergebnisse zusammen. Besonders wirksam scheint es zu sein, wenn negative Aussagen über eine Verneinung – also „nicht zufrieden“ statt „unzufrieden“ – erzeugt wurden. Woher kommt das? „Es könnte sein, dass in der subjektiven Wahrnehmung eine verneinte Aussage mit einer grösseren Anzahl von Zuständen verbunden ist, auf die sie zutreffen kann. Anders gesagt: Es gibt eventuell mehr Wege, wie eine Person nicht zufrieden sein kann im Vergleich zu Wegen, wie eine Person zufrieden sein kann“, so Jaffé. Deshalb könnte die verneinte Aussage plausibler erscheinen.

Um dies zu testen, wurden Teilnehmende in weiteren Studien gebeten, zu bewerten ob Beispiele von mehr oder weniger zufriedenen Personen zu der negativen (verneinten) oder positiven Aussage über allgemeine Zufriedenheit passen. Das Ergebnis: Beispiele, in denen die Person mit ihrem Aussehen nur teilweise oder manchmal zufrieden ist, wurden eher der verneinten Aussage zugeteilt. Ein bisschen unzufrieden oder fast zufrieden ist eben immer noch nicht ganz zufrieden.

Negative Inhalte bewusst hinterfragen

Weshalb der Negativitätsbias so stark ist, wissen die Forschenden bisher nicht. „Ein Grund könnte sein, dass wir negative Nachrichten eher gewohnt sind, positive hingegen schneller unter den Verdacht des Manipulationsversuchs geraten“, sagt Mariela Jaffé. Zudem wirkten negative Wörter und Informationen bisweilen eindeutiger und lösen eventuell mehr Emotionen aus: unzufrieden gegenüber zufrieden, krank gegenüber gesund. Negative Aussagen fokussieren eher auf Missstände, die es ernst zu nehmen und möglicherweise zu beheben gilt.

Aus der Grundlagenforschung ist ausserdem bekannt, dass negative Äusserungen schwerer wiegen als positive: Einer einzelnen Kritik misst man grösseres Gewicht bei als vielen lobenden Rückmeldungen. „Ein Erklärungsansatz dafür ist, dass es evolutionär wichtig war, negativen Informationen mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Wenn ich höre ‹es brennt›, laufe ich im Zweifelsfall davon – lieber einmal zu viel als zu wenig“, so Jaffé.

Die Ergebnisse der Studie können dafür sensibilisieren, was Wahrheitsurteile beeinflusst und welche Rolle Verneinungen dabei spielen. Sowohl für die Absender von Informationen wie Medien als auch für die Empfängerinnen und Empfänger sei es daher wichtig, sich der Wirkung von negativen Frames und Verneinungen bewusst zu sein und deren Einsatz zu hinterfragen, findet die Forscherin. „Und natürlich sollten die Inhalte ausgewogen und verständlich sein. Verneinung manipulativ einzusetzen, wäre verwerflich.“ Jaffé rät dazu, negative Rahmen auch mal bewusst positiv zu formulieren und sich zu fragen, was eine Aussage, ein statistischer Wert im Umkehrschluss bedeutet. «Wir teilen Infos schnell und meist ohne davor zu reflektieren, ein kurzes Innehalten kann jedoch sehr sinnvoll sein», ist sie überzeugt.

Andere Sprache, andere Wahrnehmung?

Aus den Erkenntnissen ergeben sich Fragen für mögliche weitere Forschung. „Wir haben diese Untersuchung nur auf Deutsch durchgeführt. Es wäre spannend zu sehen, ob die Beurteilung von Aussagen je nach Sprachgebiet anders ausfallen würde“, sagt Jaffé. Einerseits sind die Konzepte von den Normen einer Gesellschaft abhängig, andererseits funktionieren verschiedene Sprachen unterschiedlich, auch in Bezug auf Verneinungen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Quelle. Deutschesgesundheitsportal.de, Archivbild/Pexels

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