Seit dem Frühjahr und im Besonderen wieder seit Anfang November befinden sich viele Kölnerinnen und Kölner in Ausnahmesituationen. Ihre Kontaktpersonen sind auf ein Minimum reduziert, weitere persönliche Kontakte oder menschliche Nähe kaum vorhanden, der Ausgleich durch sportliche oder musische Hobbies im Verein oder in Gruppen liegt auf Eis. Die einen sitzen einsam zuhause, andere müssen sich mit ihrer Familie oftmals wenige Quadratmeter in kleinen Großstadtwohnungen teilen und „man sitzt sich auf der Pelle“. Die Schwierigkeiten sind vielfältig: Depressionen aufgrund von Einsamkeit, Sorge um den Arbeitsplatz oder Perspektivlosigkeit, aber auch Spannungen bis hin zu Aggressivität bei familiären Konflikten, Stress im Homeoffice, unausgeglichene, quängelnde Kinder oder provozierende Teenager, überforderte Eltern und entnervte Lebenspartner. Die anstehenden Feiertage und der harte Lockdown verschärfen die Angst vor Eskalation.

Die Stadt Köln und alle Beratungsstellen rufen anlässlich eines Aktionstag am kommenden Donnerstag, 17. Dezember 2020, auf: Nehmt Hilfe in Anspruch! Lasst Euch beraten! Niemand sollte sich für Überforderung, Ängste oder Probleme schämen. Sehr viele Menschen kommen derzeit an ihre Grenzen, ganz unabhängig von Beruf oder sozialem Umfeld. Das ist gerade auch für Menschen eine Herausforderung, die es gewohnt sind, ihr Leben privat und im Beruf im Griff zu haben. Der Kontrollverlust, keinen Einfluss auf das Geschehen zu haben, und die Perspektivlosigkeit macht vielen verständlicher Weise zu schaffen. Was hilft, ist, über die Sorgen und Gefühle zu sprechen. Wer sich Unterstützung holt übernimmt Verantwortung für sich und sein Umfeld. Im Fall von häuslicher Gewalt: Mut zur Anzeige – jede Polizeidienststelle nimmt diese entgegen. Das Gewaltschutzgesetz ermöglicht, den Täter auch der gemeinsamen Wohnung zu verweisen.

Oberbürgermeisterin Henriette Reker möchte Betroffene ermutigen: „Sie sind mit Ihren Problemen und Sorgen nicht alleine! Auch an den Feiertagen sind Menschen für Sie da und bieten Ihnen Unterstützung. An den Hotlines treffen Sie auf geschulte Profis mit viel Erfahrung und einem offenen Ohr für Sie. Ob Kind, ob Frau, ob Mann – rund um die Uhr gibt es Rufnummern oder Kontaktadressen, die Sie erreichen und nutzen können, auf Wunsch auch anonym. Bitte ergreifen Sie die angebotenen Hilfen, genau dafür sind da.“ Helfen können zudem alle, die Veränderung oder Verstörung bei Menschen, ob Kinder oder Erwachsene, in ihrem Umfeld feststellen. Eine vorsichtige Nachfrage oder auch ein geteilter Link zur Beratungsstelle kann helfen, ohne dass man die betreffende Person direkt ansprechen muss.

 

Rufnummern und Kontakte rund um die Uhr:

Notruf der Polizei: 110

Bei Verdacht oder festgestellter Kindeswohlgefährdung: 0221/221-90999

Gefährdungsmeldungs-Sofort-Dienst (GSD), Amt für Kinder, Jugend und Familie

Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen: 08000/116 016 

Schutz von Frauen außerhalb der eigenen Wohnung: Hotline 0221/376490 

Telefonseelsorge:  800 111 0 111800 111 0 222 oder 116 123

 

Fachleute gehen davon aus, dass die gegenwärtigen Bedingungen verstärkt zu Gewalt gegenüber Kindern und zwischen Lebenspartnern führen können. Sie wollen die Opfer ermutigen, sich bei der Polizei, beim Jugendamt, den Beratungsstellen oder auch Kitas und Schulen zu melden und Schutzmaßnahmen in Anspruch zu nehmen. Im Kölner „Netzwerk gegen häusliche Gewalt“ berichten Teilnehmende von Polizei, Staatsanwaltschaft, Stadtverwaltung und Beratungsstellen von wieder steigenden Anfragen und Rückmeldungen der Opfer, die berichten, dass die verstärkte Anwesenheit aller Familienmitglieder vermehrt zu Spannungen untereinander führt. In einigen Familien führt dies zu in psychischer und physischer Gewalt. Mehr Frauen als sonst berichten von sexualisierter Gewalt auch in Form von Vergewaltigung in der Ehe oder Partnerschaft.

Nach Ende des Lockdowns im Frühjahr hatten die Institutionen und Einrichtungen festgestellt, dass die Strafanzeigen wegen häuslicher Gewalt bei der Polizei zurückgegangen waren, andererseits aber die bundesweiten Beratungshotlines einen deutlichen Anstieg der telefonischen und Online-Kontaktanfragen verzeichneten. Die Schließung von Kitas und Schulen führte zum Rückgang der Meldungen auf Verdacht auf Kindeswohlgefährdung in den Jugendämtern.

Die beiden extra zu diesem Zweck geschaffenen Gewaltschutzzentren in der Trägerschaft von Sozialdienst katholischer Frauen (SKF Köln e.V.) und der Diakonie Michaelshoven haben im jährlichen Durchschnitt Kontakt zu rund 1.300 Betroffenen von häuslicher Gewalt. In mehr als 800 Fällen informiert die Polizei nach einem entsprechenden Einsatz die Gewaltschutzzentren, bis zu 90 Prozent aller Opfer sind weiblich. In über 60 Prozent der Fälle leben auch Kinder in den Gemeinschaften, die mittel- oder unmittelbar von dem Gewaltgeschehen betroffen sind. 2019 boten die beiden autonomen Frauenhäuser in Köln 68 Frauen mit 89 Kindern Schutz.

Das Jugendamt Köln führt jährlich rund 4.000 Verfahren zur Einschätzung einer Kindeswohlgefährdung durch. Eine akute oder latente Kindeswohlgefährdung liegt dabei in etwa 20 Prozent der Fälle vor. In weiteren 20 Prozent wurde eine Kindeswohlgefährdung ausgeschlossen, aber die Fachkräfte des Jugendamtes stellten einen Bedarf an Unterstützung, wie etwa eine Erziehungshilfe fest. Meldungen über einen Verdacht auf Kindeswohlgefährdung kommen zur Hälfte von Seiten der Polizei, 30 Prozent von Einrichtungen wie Kitas und Schule sowie 20 Prozent von Verwandten, Nachbarn oder aus dem Umfeld.

 

Zusätzliche Kölner Kontakte und Beratungsstellen (erreichbar an Werktagen):

Linksrheinisches Gewaltschutzzentrum

Sozialdienst katholischer Frauen e.V. 0221/12695-0

Rechtrheinisches Gewaltschutzzentrum

Diakonie Michaelshoven e.V. 0221/9956-4444

Für männliche Opfer bei häuslicher Gewalt:

Haus der sozialen Dienste des SKM e.V. 0221/2074-0

Beratungsstelle für Mädchen

Lobby für Mädchen e.V. 0221/45355650

Nummer gegen Kummer, Kinder- und Jugendtelefon: 116111

Kinderschutzbund. Montag bis Samstag 14 bis 20 Uhr, Montag, Mittwoch und Donnerstag 10 bis12 Uhr

Nummer gegen Kummer, Elterntelefon: 0800/110550

Kinderschutzbund. Montag bis Freitag 9 bis 17 Uhr, Dienstag und Donnerstag bis 19 Uhr.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Quelle: Stadt Köln, Fotocredit: KNJ/Martina Uckermann

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert