„Politik ist eine viel zu ernste Sache, als dass man sie alleine den Männern überlassen könnte.“

 (Käte Strobel, Bundesministerin 1966-1972)

DIE UNBEUGSAMEN erzählt die Geschichte der Frauen in der Bonner Republik, die sich ihre Beteiligung an den demokratischen Entscheidungsprozessen gegen erfolgsbesessene und amtstrunkene Männer wie echte Pionierinnen buchstäblich erkämpfen mussten. Unerschrocken, ehrgeizig und mit unendlicher Geduld verfolgten sie ihren Weg und trotzten Vorurteilen und sexueller Diskriminierung.

Politikerinnen von damals kommen heute zu Wort. Ihre Erinnerungen sind zugleich komisch und bitter, absurd und bisweilen erschreckend aktuell. Verflochten mit zum Teil ungesehenen Archiv-Ausschnitten ist dem Dokumentarfilmer und Journalisten Torsten Körner („Angela Merkel – Die Unerwartete“) eine emotional bewegende Chronik westdeutscher Politik von den 50er Jahren bis zur Wiedervereinigung geglückt. Die Bilder, die er gefunden hat, entfalten eine Wucht, die das Kino als Ort der politischen Selbstvergewisserung neu entdecken lässt. Ein erkenntnisreiches Zeitdokument, das einen unüberhörbaren Beitrag zur aktuellen Diskussion leistet.

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PRESSENOTIZ

Als Torsten Körner 2015 anfing, DIE UNBEUGSAMEN zu entwickeln, war noch nicht absehbar, dass die amerikanischen Präsidentschaftswahlen einen offen frauenfeindlichen Präsidenten ins Weiße Haus bringen würden. Der Weinstein-Skandal und die bis heute andauernde #MeToo-Debatte um Machtmissbrauch und sexuelle Gewalt wie auch der Aufstieg von Populisten, Autokraten und Clownspolitikern lag noch vor uns, als Körner sich auf eine außergewöhnliche, einzigartige filmische Zeitreise begab. Mitreisende sind zahlreiche Pionierinnen der Bonner Republik, die er an ihre alten Wirkungsstätten einlud, um sie zu interviewen – darunter Herta Däubler-Gmelin (SPD), Marie-Elisabeth Klee (CDU), Ursula Männle (CSU), Christa Nickels (Die Grünen), Ingrid Matthäus-Maier (FDP/SPD), Renate Schmidt (SPD) und Rita Süssmuth (CDU). Historische Aufnahmen zeigen darüber hinaus politische Größen wie Aenne Brauksiepe (CDU), Hildegard Hamm-Brücher (FDP), Waltraud Schoppe und Petra Kelly (Die Grünen). Eindrucksvoll und inspirierend schenkt der facettenreiche Rückblick in die westdeutsche Vergangenheit wertvolle Impulse für die Gegenwart und die Zukunft.

 

DIE UNBEUGSAMEN ist eine Produktion von Broadview Pictures (Produzent: Emmy-Preisträger Leopold Hoesch) in Koproduktion mit ZDF/3sat, gefördert mit Mitteln der Film- und Medienstiftung NRW, der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien und des Deutschen Filmförderfonds.

 

DIE POLITIKERINNEN IM FILM – Die Interviewpartnerinnen 

Herta Däubler-Gmelin | SPD

* 1943, Juristin und Politikerin; seit 1965 Mitglied der SPD; 1972 bis 2009 Mitglied des Deutschen Bundestages; 1988 bis 1997 stellvertretende Bundesvorsitzende der SPD; 1998 bis 2002 Bundesministerin der Justiz

 

Renate Faerber-Husemann | Journalistin

* 1946, freie Journalistin; unter anderem für die ARD-Rundfunkanstalten in Bonn

Elisabeth Haines | SPD

* 1936, Juristin und Politikerin; Mitbegründerin der Frauenabteilung im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (vormals: Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit); dort unter anderem Vorsitzende des Personalrats und Leiterin des Forschungsreferats

 

Renate Hellwig | CDU

* 1940, Juristin und Politikerin; seit 1970 Mitglied der CDU; 1975 bis 1989 Mitglied des Bundesvorstandes der Frauen-Union; Mitglied des Bundesvorstandes der CDU; 1972 bis 1975 Mitglied des baden-württembergischen Landtags; 1980 bis 1998 Mitglied des Deutschen Bundestages; 1983 bis 1994 Vorsitzende der Europakommission/EG-Ausschuss

Marie-Elisabeth Klee | CDU

* 1922, † 2018, Politikerin; seit 1958 Mitglied der CDU; unter anderem Vorsitzende der Frauenvereinigung der CDU Worms; Bezirksvorsitzende der Frauenvereinigung der CDU Rheinhessen; 1961 bis 1972 Mitglied des Deutschen Bundestages; 1986 bis 1993 Vorstandsvorsitzende des Deutschen Komitees der UNICEF

Ursula Männle | CSU

* 1944, Professorin und Politikerin; seit 1964 Mitglied der CSU; unter anderem stellvertretende Bundesvorsitzende der Jungen Union; Landesvorsitzende der Frauen-Union der CSU; seit 1976 Professorin an der Katholischen Stiftungsfachhochschule München; 1979/80 und 1983 bis 1994 Mitglied des Deutschen Bundestages; 2014 bis 2019 Vorsitzende der Hanns-Seidel-Stiftung

Ingrid Matthäus-Maier | FDP/SPD

* 1945, Politikerin und Bankmanagerin; 1969 bis 1982 Mitglied der FDP; seit 1982 Mitglied der SPD; 1976 bis 1999 Mitglied des Deutschen Bundestages; unter anderem Bundesvorsitzende der Jungdemokraten; Mitglied des Bundesvorstands der FDP; 1999 bis 2008 Vorstandsmitglied der Kreditanstalt für Wiederaufbau

Christa Nickels | Die Grünen

* 1952, Politikerin; Gründungsmitglied der Grünen in Nordrhein-Westfalen (1979); 1983 bis 1985, 1987 bis 1990 und 1994 bis 2005 Mitglied des Deutschen Bundestages; 1983 bis 1984 parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Bundestagsfraktion; unter anderem Vorsitzende des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe; parlamentarische Staatssekretärin im Gesundheitsministerium unter Gerhard Schröder; 1998 bis 2001 Drogenbeauftragte der Bundesregierung

Renate Schmidt | SPD

* 1943, Politikerin und Systemanalytikerin; seit 1972 Mitglied der SPD; 1972 bis 1980 Mitglied des Betriebsrats von Quelle; 1980 bis 1988 stellvertretende Landesvorsitzende der Gewerkschaft HBV in Bayern; 1980 bis 1994 Mitglied des Deutschen Bundestages; 1990 bis 1994 Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages; 1994 und 1998 Spitzenkandidatin der SPD für das Amt des Bayerischen Ministerpräsidenten; 2002 bis 2005 Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Helga Schuchardt | FDP

* 1939, Politikerin und Ingenieurin; 1965 bis 1982 Mitglied der FDP; 1970 bis 1982 Mitglied des Bundesvorstandes der FDP; 1972 bis 1983 Mitglied des Deutschen Bundestages; 1983 bis 1987 Kultursenatorin von Hamburg; 1990 bis 1998 niedersächsische Ministerin für Wissenschaft und Kultur

 

Rita Süssmuth | CDU

* 1937, Politikerin und Professorin; seit 1981 Mitglied der CDU; seit 1980 bis 1982 Professorin für Erziehungswissenschaften an der Universität Dortmund; 1987 bis 2002 Mitglied des Deutschen Bundestages; 1985 bis 1988 Bundesministerin für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit (vormals Jugend, Familie und Gesundheit); 1988 bis 1998 Präsidentin des Deutschen Bundestages

Roswitha Verhülsdonk | CDU

* 1927, Politikerin; seit 1964 Mitglied der CDU; unter anderem Mitglied des Kreisvorstands in Koblenz; Landesvorsitzende und später Bundesvorsitzende der CDU-Frauenvereinigung; 1972 bis 1994 Mitglied des Deutschen Bundestages; 1991 bis 1994 Parlamentarische Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Familie und Senioren

Carola von Braun | FDP

* 1942, Politikerin; 1979 bis 1981 Vorsitzende der FDP-Kreistagsfraktion im Rhein-Sieg-Kreis; 1980 bis 1983 Mitglied des Deutschen Bundestages und bildungs- und kulturpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion; 1984 bis 1990 erste Frauenbeauftragte des Berliner Senats; Mitglied des Kuratoriums der Friedrich-Naumann-Stiftung; Mitglied des Bundesvorstands der FDP

Sabine Gräfin von Nayhauß-Cormons | Journalistin

* 1942, Buchautorin und freie Journalistin unter anderem für die Bunte und die Welt am Sonntag; Ehefrau von Mainhardt Graf von Nayhauß-Cormons (unter anderem Kolumnist in Bonn für die Bild-Zeitung)

 

 

Überblick über die KAPITEL 

VORSPANN

Der Film steigt mit einem historischen Schatz aus den Archiven ein: Marie-Elisabeth Lüders (FDP) wurde für die Tagesschau 1958 anlässlich ihres 80. Geburtstages auf der Straße für ein kurzes Interview abgefangen, das sie fast ungeduldig über sich ergehen lässt. Auf die Frage, wie sie den Stand der Gleichberechtigung, ihrer politischen Herzensangelegenheit, sieht, antwortet sie:

„Zum Teil ist sie erreicht, zum Teil nicht. Wenn die Leute nicht weiterkämpfen,

dann werden sie das, was sie haben, wieder verlieren.“

 

Während Herbert von Karajan vor den Berliner Philharmonikern Dvoraks Symphonie Nr. 9 dirigiert, werden die Protagonisten der Politik in den ersten Jahren der Bonner Republik gezeigt. Man sieht einen reinen Männerclub an der Macht…

 

Erstes Kapitel: MEINE HERREN

Renate Schmidt (SPD) erinnert sich, dass Macht zu Beginn ihrer politischen Karriere als absolut unweiblich angesehen wurde, was sie nie verstanden hat.

„Wenn ich machtlos bin, dann bin ich ohnmächtig.

Gerade weil ich eine Frau bin, will ich nicht ohnmächtig sein.“

Die Politikerinnen der 60er und 70er Jahre haben mit Rollenbildern gebrochen.

Renate Hellwig (CDU) erzählt von ihrem Vater, der zu ihr gesagt habe: „Mädel, lern nicht so viel. Du bekommst keinen Mann.“

Frauen in Bildung, Studium und Politik waren die in der Gesellschaft und besonders von den Männern mit leichtem Unverständnis wahrgenommene Ausnahme.

 

Zweites Kapitel: FRAU MINISTER

Obwohl die Frauen mehr als die Hälfte der Wählerschaft bilden, sind sie von einer Teilhabe an der Politik weitgehend ausgeschlossen. Eine der ersten Vorkämpferinnen für eine größere Beteiligung von Frauen in entscheidender politischer Funktion war Aenne Brauksiepe, die mit feinstem sprachlichem Stil und wunderbarer Klarheit ihre Standpunkte formuliert, wie verschiedene Archivbilder belegen.

Sie organisiert, so beschreibt es Marie-Elisabeth Klee (CDU), die Belagerung von Adenauers Amtszimmer und bedrängt ihn mit ihren Mitstreiterinnen so lang, bis er 1961 nicht mehr umhinkommt und die erste Frau in sein Kabinett holt: Dr. Elisabeth Schwarzhaupt wird Gesundheitsministerin.

Berühmter Ausspruch dazu von Konrad Adenauer 1961:

„In diesem Kreis sind auch sie ein Herr.“

Mann tut sich schon sprachlich schwer. Die Ministerin Schwarzhaupt erklärt auf eine Frage in diese Richtung sehr höflich in einem Fernsehinterview, dass sie die Anrede „Frau Ministerin“ als logisch in der deutschen Sprache vorgegeben sieht.

Aenne Brauksiepe im WDR-TV über die unterschiedlichen politischen Stile von Männern und Frauen:

„Vive la différence, wenn sie so wollen.

Jeder bringt den Pars, den er hat, um das Ganze richtig zu machen.“

Drittes Kapitel: REBELLINNEN

Im Fokus stehen in diesem (relativ kurzen) Filmkapitel die 70er Jahre, in denen sich die Frauen an vielen Orten und auf verschiedenen politischen Ebenen zusammentun – auch parteiübergreifend. Es wurde regelrecht wissenschaftlich analysiert, wie es Frauen gelingen kann, sich politisches Gehör zu verschaffen. Herta Däubler-Gmelin (SPD) spricht in diesem Zusammenhang von „fröhlichem Terrorismus“, der den Frauen damals bescheinigt wurde.

 

Carola von Braun (FDP) beschreibt, sehr sachlich und ohne Bedauern, die Kehrseite der Medaille. Denn auch im privaten Raum taten sich Widerstände und Probleme auf. Zum Beispiel, dass, wie in ihrem Fall, der eigene Ehemann ein Problem damit hatte, dass sie als Politikerin Karriere machte und schließlich ihre Ehe darüber in die Brüche ging.

 

Viertes Kapitel: MAD MEN

 

Aus heutiger Sicht kann man nur staunen, wenn Helga Schuchardt (FDP) beschreibt, wie Richard Stücklen ihr im Bundestag auf dem Weg vom Rednerpult zu ihrem Platz mit dem Daumen über die Wirbelsäule fährt, um zu ertasten, ob sie einen BH trägt. Er hatte eine Wette in der CSU-Fraktion darüber, wie er ihr belustigt erklärt. Dass der Vorfall an die Presse durchsickerte, sah er auch noch als Imagegewinn an. Und wahrscheinlich lag er damit nicht falsch, denn seiner politischen Karriere hat es nicht geschadet.

Frauen beginnen, Strategien zu entwickeln, wie sie mit dem übergriffigen Verhalten umgehen:

„Da musste man auch lernen, das Baggern so abzuwehren,

dass der Herr nicht todbeleidigt

und ab dann dein Todfeind ist in der Fraktion.“

Carola von Braun

 

Bei den Grünen kommt es 1983 zum ersten Skandal mit Folgen für den Mann: Klaus Hecker, dem vorgeworfen wird, mehreren Frauen an die Brust gefasst zu haben, musste aus dem Parlament auf Drängen der Fraktion ausscheiden. In der WDR-Sendung „Aktuelle Stunde“ wird die damalige Spitzenpolitikerin der Grünen, Waltraud Schoppe, gefragt:

„Glauben Sie nicht, es wäre besser gewesen, sowas zwischenmenschlich zu regeln und nicht gleich die politische Keule zu schwingen?“

Eine Art der Fragestellung, die den gesellschaftlichen Umgang mit tabuisierten Themen schon verdeutlicht. 

 

Fünftes Kapitel: UNTER DEUTSCHEN DECKEN

1983: Die Grünen bringen Frauenthemen auf die Agenda der Sitzungen im Parlament. Im Mai hält Waltraud Schoppe anlässlich der Diskussion um den umstrittenen Paragraphen 218 ihre vielbeachtete, erste Rede im Parlament und sorgt für frischen Wind im Bundestag. Mit größter Bewunderung und – ob der Reaktionen der männlichen Parlamentsmitglieder – Abscheu berichten die Zeitzeuginnen im Film aus ihren Erinnerungen an diese Rede.

Die Archivbilder zeigen eine Frau, die selbstbewusst ihre Worte setzt, das Selbstbestimmungsrecht der Frau und Strafe bei Vergewaltigung in der Ehe fordert und direkt mit dem Sexismus im Parlament konfrontiert wird. Die Offenheit und große Selbstverständlichkeit, mit der sie über Sexualität, Sinnlichkeit, Verhütung, Miteinander in der Partnerschaft und relevante politischen Themen spricht, ist den Interviewpartnerinnen in bester Erinnerung:

„Diese Rede war ein Fest für uns Frauen.“

Elisabeth Haines

 

Schoppes Parteigenossin Christa Nickels staunt, während sie sich an diese denkwürdige Rede erinnert, wie nüchtern und leise Schoppe redet. Die Archivaufnahmen der Rede geben das laute Hohngelächter und die mehr als unangemessenen Reaktionen im Bundestag wieder, die Schoppe über sich ergehen lassen muss.

Und wie sie – als hätte sie nichts anderes erwartet – souverän auf Zwischenrufe reagiert.

Elisabeth Haines konstatiert, dass es peinlich gewesen sei für die Männer, sie schon fast Mitleid gehabt habe, weil sie merken mussten, dass sie nicht mehr angehimmelt würden.

 

Sechstes Kapitel: KRIEG UND FRIEDEN

Im selben Jahr. Der Nato-Doppelbeschluss. Der Kalte Krieg und die Angst vor dem atomaren Erstschlag sind die beherrschenden Themen.

Die Friedensbewegung ist auf ihrem Zenit. Für die konservativen Männer ganz klar von Moskau gesteuert.

Auf der einen Seite Männer wie Kohl, denen es darum geht, das große Spiel um Macht und Stärke zu spielen und die dabei alles tun, den amerikanischen Bündnispartnern zu gefallen. Gefühle oder Individuen tauchen in der männlichen Argumentationslinie nicht auf.

Auf der anderen Seite Frauen, die an den Strahlentod nach den ersten Atombombenabwürfen in Japan erinnern (Christa Nickels (Die Grünen), die Kohl eine Kranichkette überreicht) oder auf genauso menschlicher Ebene Kohls Machtpolitik in Schutz nehmen (Roswitha Verhülsdonk, CDU).

 

Petra Kelly, der neue Star bei den Grünen und Ikone der Friedensbewegung, spricht von dem „Gesetz des Gewissens“.

 

In einer Rede von Renate Schmidt im Bundestag fallen erschreckend aktuell klingende Sätze:

„Bereits die 10jährigen nehmen ihre Eltern [auf Demonstrationen] mit.

(Auf einen Zwischenruf reagierend) Ja, das finde ich gut. –

Zwei Themen sind es, die sie bewegen: Das Waldsterben und das Aufrüsten.

Und so möchte ich schließen mit dem Text des Transparents von Jugendlichen auf der Demonstration in Neu-Ulm getragen. Da stand:

Ihr geht mit der Welt um, als hättet ihr eine zweite im Keller.

Zeigen wir ihnen doch, dass sie sich getäuscht haben.“

 

Und einmal mehr Waltraud Schoppe:

„Wir brauchen keine neuen Raketen. Wir brauchen neue Männer in diesem Land.“

 

Siebtes Kapitel: LEVITEN LESEN

Das Misstrauensvotum gegen Helmut Schmidt am 1. Oktober 1982.

Hildegard Hamm-Brücher hält eine vielbeachtete Rede, in der sie den Bundestag daran erinnert, dass der Wähler sich eindeutig für die sozial-liberale Koalition ausgesprochen hat. Für sie als Mitglied der Regierungskoalition ein Wählerauftrag, den man nicht ohne Wahlen in Frage stellen darf.

Für sie birgt das Misstrauensvotum gegen Helmut Schmidt das „Odium des verletzten demokratischen Anstands“ – diese Einordnung sorgt für tumultartige Reaktionen im Parlament.

Nachdem Kohl sich dennoch durchgesetzt hat, zieht dies eine gesellschaftliche Spaltung nach sich und löst ein Erdbeben in der FDP aus. Auf dem FDP-Parteitag gibt Hamm-Brücher bekannt, aufgrund des Vertrauensbruchs gegen den Wähler nicht mehr für den Vorstand zu kandidieren. Es kommt zu zahlreichen Parteiaustritten, der politische Journalist Friedrich Nowottny berichtet im Fernsehen, dass er noch nie einen so tränenreichen Parteitag erlebt hätte.

Auch für Ingrid Matthäus-Maier ist der Bruch der sozial-liberalen Koalition und vor allem die Rolle, die Hans-Dietrich Genscher in diesem Prozess gespielt hat, Grund die Partei zu wechseln … und mit Genscher nie wieder ein Wort zu wechseln.

 

Achtes Kapitel: MEHR FRAU WAGEN

Der politische Aufstieg von Ingrid Matthäus-Maier. Im Alter von 26 Jahren gilt sie als Shooting-Star der FDP als Bundesvorsitzende der Jungdemokraten. Sie wird auf den Bonner Partys herumgereicht, zeigt aber sehr schnell, dass sie eine durchsetzungsstarke Kraft in der bundesdeutschen Politik ist. In ihrer Erinnerung konstatiert sie, dass sie deshalb auch oft als „autoritär“ eingestuft wurde, während man einen Mann mit dem gleichen Verhalten wesentlich positiver als „entscheidungsstark“ bewertet hätte.

 

1984 besetzen DIE Grünen den Fraktionsvorsitz im Bundestag ausschließlich mit Frauen, darunter Waltraud Schoppe, Antje Vollmer, Christa Nickels. Eine Entscheidung, die heftig in den Medien und der Politik diskutiert wird. Friedrich Nowottny spricht von einem „Hauruck-Verfahren“ und „brutalem Zugriff“.

Und auch bei den Frauen im Bundestag wurde dieser Schritt unterschiedlich aufgenommen: Während einige Unions-Frauen gratulierten, waren die SPD-Frauen vielfach der Meinung, dass die Grünen zu weit gegangen seien und das „Kind mit dem Bade ausschütten“.

Ursula Männle erinnert sich, dass sie für ihr Gratulationsschreiben an die Grünen von ihrem Fraktions-Geschäftsführer „einen bösen Brief erhalten“ hat.

Doch der Schritt hat auch zu einem Umdenken geführt, Aufbruchstimmung kreiert.

So schwenkt Heiner Geißler als neuer Generalsekretär der CDU 1985 komplett vom bisherigen Kurs der Partei ab und setzt das Thema „Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau bis 2000“ als Zukunftsmotto beim Parteitag der CDU.

Der Ruf nach einer zweiten Ministerin im Kabinett wird laut und Renate Hellwig wagt sich vor. Sie berichtet, wie sehr sie Helmut Kohl damit verärgert hat, der zitiert wird mit dem Satz, dass „er sich doch nicht wie Edward Heath eine zweite Margaret Thatcher an die Brust holen würde“.

Sie wird es nicht.

Neuntes Kapitel: LOVELY RITA

Stattdessen benennt Helmut Kohl überraschend eine weitgehend unbekannte Quereinsteigerin: „Wie Kai aus der Kiste“ wird Prof. Rita Süssmuth 1985 zur Bundesministerin für Jugend, Familie und Gesundheit ernannt.

Christa Nickels beschreibt die schwierige Startposition, die Rita Süssmuth zu Beginn ihrer politischen Karriere hatte. Niemand hat erwartet, dass sie sich ähnlich wie die etablierten Politikerinnen durchzusetzen vermag.

Gleich zu Anfang, mit Ausbruch der gesellschaftlichen Debatte um den HIV-Virus und den Umgang mit AIDS, bewies sie ihren Durchhaltewillen und zugleich ein politisches Gespür, das ihrer Zeit voraus war, indem sie von Anfang an auf eine große Aufklärungskampagne setzte.

Schon nach drei Jahren als Ministerin gehörte sie zu den beliebtesten Politikern im Land und die Konflikte mit Kanzler Kohl waren auch in der Öffentlichkeit wahrnehmbar, so dass ihre Berufung in das zweithöchste Amt der Republik zur Bundestagspräsidentin als „in ein höheres Amt wegloben“ bewertet wurde.

Im September 1989, kurz vor dem Fall der Mauer, kam es zum offenen Machtkampf innerhalb der CDU. Auf dem Bremer Parteitag sorgen Rita Süssmuth, Lothar Spät und Heiner Geißler für große Unruhe innerhalb der Partei, als sie versuchen, Helmut Kohl die Macht streitig zu machen. Süssmuth gilt zu diesem Zeitpunkt als eine der populärsten Politikerinnen der Republik.

Zehntes Kapitel: PETRA & HANNELORE

 

Die wahrscheinlich prominentesten weiblichen Gegenpole der Bonner Republik:

Hannelore Kohl, die stets unterschätze „Frau an seiner Seite“, die bei Staatsempfängen in fließendem Englisch und Französisch zu brillieren weiß und sich doch in der Öffentlichkeit immer wieder den Vorwurf der Provinzialität gefallen lassen musste (siehe Archiv-Ausschnitt aus einem Interview mit Hannelore Kohl in der WDR-Sendung „Ich stelle mich“).

Petra Kelly, die schon vor ihrem Einzug in den Bundestag als Ikone der Friedensbewegung gefeiert wurde, quasi die „erste globale Politikerin“ (Interview-Ausschnitt mit Christa Nickels).

„Seit ich in Bonn bin, werde ich immer männerfeindlicher.“

Petra Kelly

 

Beide leiden stark unter den Belastungen ihrer politischen Rolle und verändern sich merklich.

Beider Leben enden mit einer Tragödie.

 

Elftes Kapitel: PAPA

Am 24. Februar 1997 eröffnet in München die bereits seit zwei Jahren durch Deutschland tourende und heftig umstrittene „Wehrmachtsausstellung“, die den Glauben an die Unschuld der deutschen Wehrmachtssoldaten während des Zweiten Weltkriegs mit unwiderlegbarer Beweiskraft zerstörte.

Eines der größten Tabus der kollektiven Verdrängung der Vergangenheit in der Bundesrepublik wurde mit dieser Ausstellung gebrochen.

Es kommt zu zum Teil gewalttätigen Demonstrationen und Aufmärschen der rechten Szene in München. Bürgermeister Christian Ude (SPD) wirft der CDU eine rechte Kampagne vor, die für Unfrieden in der Gesellschaft sorge.

In der Bundestagsdebatte am 13. März 1997 hält Christa Nickels eine ausführliche und – verglichen mit den männlichen Stimmen aus der Debatte – mit beeindruckender Fassung vorgetragene Rede darüber, wie sehr ihr Vater unter den Kriegserinnerungen gelitten hat und wie ihr als seiner Tochter erst sehr spät bewusst wurde, was es heißt, dass er vermutlich Mitglied der Waffen-SS gewesen ist.

In einem ungewöhnlich langen Ausschnitt zeigt der Film, wie sie den äußerst widersprüchlichen Umgang mit der Vergangenheit und die daraus resultierende, immer noch andauernde Belastung für viele deutsche Familien, nicht nur nicht beschönigt, sondern mit einer souveränen Versöhnlichkeit einen Ausweg aus dem die Gesellschaft spaltenden Dilemma anbietet.

 

Zitat von Petra Kelly aus dem Kapitel „Petra & Hannelore“:

„Politik muss für den Menschen da sein. Es ist Nächstenliebe in der Politik.“

 

Zwölftes Kapitel: FRAU BUNDESKANZLERIN

Ausschnitt aus der WDR-Sendung Extempore. Moderator Rudolf Rohlinger diskutiert mit seinen weiblichen Gästen. Er stellt fest: Es gibt mehr weibliche als männliche Wähler. Aber dass Frauen die Mehrheit im Parlament stellen könnten, eine Frau Parteivorsitzende, Ministerpräsidentin, gar Bundeskanzlerin werden könnte? 1972 erscheint es unvorstellbar.

Die Interviewpartnerinnen im Doppelinterview erinnern sich:

 

Christa Nickels: „Wenn die Wahl gewesen wäre zwischen der besten Frau von allen in den Siebzigern und einem dummen August, dann wäre der dumme August Kanzler geworden.“

Elisabeth Haines: „Ja klar. Das war überhaupt keine Frage.“

 

Eine Bundeskanzlerin: Undenkbar – auch für die Frauen selbst. Herta Däubler-Gmelin (SPD) konstatiert, sie habe bei Kanzlern oft einen „unbedingt über Leichen gehenden Machtwillen“ gesehen – und so hätte sie selbst niemals werden wollen. Und Ingrid Matthäus-Maier (SPD) bringt es bis heute nicht über die Lippen, dass sie das Zeug zur Kanzlerin gehabt hätte. Einzig Renate Hellwig (CDU) gibt freimütig zu: „Ich sag’s ganz ehrlich, ich habe immer davon geträumt, Kanzlerin zu werden.“

Interviewpaarungen am Ende des Films:

Christa Nickels & Elisabeth Haines

Ursula Männle & Renate Hellwig

Christa Nickels & Ingrid Matthäus-Maier

Herta Däubler-Gmelin & Renate Faerber-Husemann

Einigen erschien eine Frau als Kanzlerin wohl auch noch bis in die jüngere Vergangenheit schwer vorstellbar. In der berühmten „Elefantenrunde“ am Tag der Bundestagswahl 2005 hat Gerhard Schröder (SPD) einen denkwürdigen Auftritt und greift seine Gegenkandidatin, Angela Merkel (CDU), scharf an:

„Glauben Sie im Ernst, dass meine Partei auf ein Gesprächsangebot von Frau Merkel

bei dieser Sachlage einginge, indem sie sagt, sie möchte Bundeskanzlerin werden?

Ich meine, wir müssen die Kirche doch auch mal im Dorf lassen.

Die Deutschen haben in der Kandidatenfrage eindeutig votiert.“

Gerhard Schröder in der „Elefantenrunde“ 2005.

Stimmt, das haben sie. Am 22. November 2005 wird Angela Merkel als erste Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland vereidigt.

Also, Ziel erreicht, Ende gut, alles gut?

Ursula Männle spannt zum Schluss des Films den historischen Bogen – von der Zeit, bevor Frauen überhaupt wählen durften, bis heute. Und stellt fest: Nein, diese Geschichte ist noch nicht am Ende.

 

Schlusswort von Ursula Männle:

„Jede Position, die heute von einer Frau eingenommen wird,

wird nicht mehr von einem Mann eingenommen.

Die haben natürlich was zu verlieren.

Deutlich zu machen, dass man nichts verliert, sondern dass es vielleicht besser ist,

wenn beide gemeinsam etwas tun,

dass sich dieses Bewusstsein in den Köpfen wiederfindet,

das ist schwer einzupflanzen.

Aber: Vielleicht schaffen wir es ja die nächsten 25 Jahre.

Ich glaub‘ schon.“

Von Herbert Karajan am Anfang des Films zu Mirga Gražinytė-Tyla am Ende von DIE UNBEUGSAMEN. Sie dirigiert das City of Birmingham Symphony Orchestra, die Leonoren-Overtüre Nr. 3 in C-Dur von Beethoven.

 

SCHLUSSTAFELN

„Frauen, wenn wir heute nichts tun, leben wir morgen wie vorgestern.“

Annemirl Bauer, 1988 

Erstmals nach 20 Jahren ist der Frauenanteil im Bundestag wieder zurückgegangen

und beträgt nur noch 31 Prozent. 

Frauen verdienen immer noch 21 Prozent weniger als Männer. Sie haben geringere Aufstiegschancen und die Familienarbeit bleibt meistens ihre Sache. Mütter arbeiten überwiegend in Teilzeit. In nur 9 Prozent der Familien sind beide Elternteile voll berufstätig. 

Rückschrittliche Rollenbilder sind auf dem Vormarsch und im Netz tobt der Hass gegen Frauen. 

Was Käte Strobel (SPD) einst sagte, hat nichts an Aktualität eingebüßt:

„Politik ist eine viel zu ernste Sache, als dass man sie allein den Männern überlassen könnte!“

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Text – und Bildquelle: Majestic

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