Städtische Provenienzforscher machten die rechtmäßigen Eigentümer ausfindig

 

Die Stadt Köln restituiert die Zeichnung „Blick über die Dächer von Schandau“ von Adolph von Menzel (1815-1905) aus dem Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud an die Erben von Elisabeth Linda Martens. Der Rat der Stadt Köln hat in seiner Sitzung beschlossen, die Zeichnung an die Nachfahren zurückzugeben. Damit erkennt der Rat an, dass Elisabeth Linda Martens im Dezember 1938 als Opfer des Nationalsozialismus gezwungen war, die Zeichnung zu veräußern. Das Blatt gelangte im Oktober 1939 in die Sammlung des Wallraf-Richartz-Museums.

 

In einem vom Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud und der Stadt Köln mit Unterstützung der Stiftung Deutsches Zentrum Kulturgutverluste durchgeführten Forschungsprojekt ist die Zeichnung als ein möglicher NS-verfolgungsbedingter Entzug erkannt und erforscht worden. Vorgehensweise und erste Forschungsergebnisse wurden im Herbst 2015 im Rahmen der Ausstellung „Provenienz Macht Geschichte“ im Graphischen Kabinett des Wallraf einer breiten Öffentlichkeit präsentiert. Nach intensiven Recherchen ist es den Provenienzforschern gelungen, die Nachfahren der Familie Martens in den Vereinigten Staaten ausfindig zu machen.

 

Im Rahmen der Forschung wurde festgestellt, dass die Zeichnung ursprünglich zur Kunstsammlung des Hamburger Rechtsanwaltes Dr. Albert Martin Wolffson gehörte und als Erbe an seine Tochter Elsa Helene Cohen, geb. Wolffson, gelangte. Aufgrund ihrer jüdischen Abstammung war sie spätestens Ende der 1930er Jahre von antisemitischen Verfolgungsmaßnahmen betroffen und konnte nicht mehr frei über ihre Vermögenswerte verfügen. Cohen emigrierte zusammen mit der Familie ihres einzigen Sohnes in die Vereinigten Staaten. Ihr Sohn, der Jurist Dr. Gerhard Otto Martens (früher Cohen), war bereits am 30. September 1933 mit sofortiger Wirkung und ohne Pension als Richter beim Landgericht Hamburg aufgrund des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums entlassen worden.

 

Im Kontext dieser Verfolgungsmaßnahmen und der bevorstehenden Emigration gab Elsa Helene Cohen die Menzel-Zeichnung innerfamiliär an ihre nichtjüdische Schwiegertochter Elisabeth Linda Martens weiter, vermutlich um antisemitische Beschränkungen und Abgaben zu umgehen. Elisabeth Linda Martens verkaufte die Zeichnung am 31. Dezember 1938 an Hildebrand Gurlitt. Dieser gab das Objekt 1939 an die Galerie Gerstenberger, Chemnitz, in Kommission, wo es das Wallraf-Richartz-Museum noch im selben Jahr erwarb. Als Ehepartnerin des nach den „Nürnberger Rassengesetzen“ wegen seiner Vorfahren jüdischen Glaubens als Jude klassifizierten Dr. Gerhard Otto Martens gehörte Elisabeth Linda Martens im Sinne einer „Schicksals- und Verfolgungsgemeinschaft“ zu den in der Zeit vom 30. Januar 1933 bis 8. Mai 1945 aus rassistischen, politischen, religiösen oder weltanschaulichen Gründen verfolgten Personen. Sie blieb bei ihrem verfolgten Ehemann, emigrierte mit ihm in die USA und teilte damit dessen persönliches, wirtschaftliches und kulturelles Schicksal.

 

Auch für Elisabeth Linda Martens und für die gesamte Familie waren keinerlei Grundlagen für eine weitere berufliche und private Existenz im Deutschen Reich mehr gegeben. Es ist anzunehmen, dass der Verkauf der Zeichnung zur Finanzierung der Flucht diente. Vor diesem Hintergrund wird die Rückgabe des Werkes seitens des Museums und der Stadt Köln als berechtigt anerkannt. Das Werk wird an die Nachfahren nach Elisabeth Linda Martens restituiert.

 

Text- und Bildquelle: Stadt Köln

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